© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Negative Zehn-Jahres-Bilanz
Wirtschaftswachstum: Im Vergleich zu den anderen Staaten stehen die Euro-Länder schlechter da als zuvor
Bernd-Thomas Ramb

Wer Hunderte von Milliarden Euro in die Rettung dieser Währung investiert, braucht eine gute Begründung. Eine solche wäre der sichere Nachweis, daß sich dies ökonomisch lohnt. Die Rettungspolitiker werden daher nicht müde zu propagieren: „Ohne den Euro wäre Deutschland ärmer.“ – „Die Deutschen profitieren vom Euro.“ – „Der Euro beschert uns Wachstum und Wohlstand.“ Allein, es fehlt der Beweis für diese Behauptungen. Bislang liegen hinsichtlich des angeblichen Nutzens des Euro lediglich Studien vor, die die momentane reale wirtschaftliche Situation mit hypothetischen Szenarien vergleichen, die nach Ansicht der Betrachter ohne den Euro entstanden wären.

Hypothetisch läßt sich Beliebiges unterstellen, besonders wenn sich diese Hypothesen grundsätzlich nicht beweisen lassen. Hätte es wirklich kriegsähnliche Zustände gegeben, wenn der Euro nicht eingeführt worden wäre? Realpolitik ist kein Laborversuch, der beliebig unter den gleichen Voraussetzungen wiederholbar ist. Das macht es den Befürwortern der Euro-Rettung einfacher. Sie können alternative Entwicklungen unterstellen, die zwangsläufig zu schlechteren Zuständen hätten führen müssen. Im Extremfall läßt sich argumentieren, ohne die Einführung des Euro würde in den Euro-Ländern heute ein große Hungersnot herrschen, die Wohnungen wären ohne Strom und Heizung und Schlimmeres.

Wissenschaftlich gesehen sind solche Phantasie-Vergleiche ohne Aussagekraft. Hier können nur harte Fakten zu sinnvollen Ergebnissen führen. Solche harten Fakten resultieren beispielsweise aus seriösen statistischen Erhebungen, wie sie eine neutrale Institution wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vorlegt, die weder im Auftrag der EU noch einer anderen Euro-nahen Interessengemeinschaft handelt. Zweites Kriterium ist der Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den Ländern im Euro-Raum und den Staaten, die sich der Euro-Währung nicht angeschlossen haben oder in direkter Währungskonkurrenz stehen. Drittens sollten die wirtschaftlichen Tatbestände von heute mit den realen Zuständen vor der Einführung der Euro-Währung verglichen werden.

Die OECD erfaßt das inflationsbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 38 der weltweit wirtschaftlich bedeutendsten Staaten. Für die Beurteilung des Erfolgs oder Mißerfolgs der Euro-Währung ist die neuste Statistik besonders wichtig, denn sie zeigt die volkswirtschaftliche Einkommensentwicklung pro Kopf der Bevölkerung während der ersten zehn Jahre des Euro (1999 eingeführt als Buchgeld) von 2000 bis 2010.

Nach der Höhe des Pro-Kopf-Einkommens sortiert, liegt Deutschland 2010 mit einem Jahreseinkommen von 33.400 Dollar (der Maßeinheit der OECD) an elfter Stelle, weit hinter dem Spitzenreiter Luxemburg und den unmittelbar nachfolgenden Ländern Norwegen, USA und Schweiz, aber auch hinter den Euro-Staaten Niederlande (Platz 5), Irland (7) und Österreich (8) sowie dem EU- aber Nicht-Euro-Land Schweden (Platz 10).

Gegenüber dem Jahr 2000 hat sich Deutschland um einen Rangplatz verbessert, weil es im Jahr 2009 seinen Platz mit Belgien tauschte, das bis dahin einkommensmäßig besser als Deutschland gestellt war. Im weiteren Vergleich mit dem Jahr 2000 haben alle anderen Euro-Länder außer Finnland nach zehn Jahren Euro-Währung keine bessere Plazierung aufzuweisen, im Gegenteil: Frankreich sank von Platz 15 auf Platz 18, Italien von 16 auf 19, Spanien von 19 auf 21, Griechenland von 24 auf 25 und Portugal von Platz 23 auf Platz 27. Länder, die nicht den Euro als Währung nutzen, stehen im Schnitt besser da. Vor allem zog Schweden von Platz 15 auf Platz 10 mit einem großen Sprung an Deutschland vorbei. Insgesamt haben die Euro-Länder nach zehn Jahren Währungsunion im Durchschnitt einen Rangplatz verloren, während die gesamte EU sich um zwei Plätze verbessert hat. Zudem schneiden die Euro-Länder beim Pro-Kopf-Einkommen schlechter ab als der Durchschnittsbürger aller OECD-Länder. Vor der Einführung des Euro lag der Einkommensdurchschnitt der Euro-Länder noch über dem OECD-Durchschnitt. Im Jahr 2010 ist der Euro-Währungsbürger ärmer dran als der OECD-Durchschnittsbürger. Da kann von einem Euro-Währungsvorteil wirklich nicht die Rede sein.

Auch in der Kategorie Wirtschaftswachstum fällt die Euro-Bilanz verheerend aus. Die boomenden OECD-Länder China und Rußland weisen im Schnitt in den Jahren 2000 bis 2010 Wachstumsraten des Pro-Kopf-Einkommens von sechs bis 15 Prozent aus. Für Europa nicht unerreichbare Werte, denn auch die EU-Staaten Slowakei, Polen und Estland sind in dieser Zeit um 4,4 bis 5,9 Prozent jährlich gewachsen. Deutschland schafft seit der Einführung des Euro im Jahresdurchschnitt gerade einmal ein Prozent und liegt damit an 22. Stelle aller 38 OECD-Länder.

Deutschland geht es zwar besser als Frankreich (0,5 Prozent Durchschnittswachstum) und Portugal (0,3) – der Trost ist jedoch relativ. Insgesamt liegt das Wachstum aller EU-Länder (1,0 Prozent) über dem der Euro-Länder (0,7). Italiens Wirtschaft ist in Zeiten des Euro sogar um insgesamt 2,1 Prozent geschrumpft. Der Euro entlarvt sich damit als eindeutige Wachstumsbremse.

Aktuelle OECD-Statistiken zur Entwicklung des BIP (Gross domestic product/GDP): stats.oecd.org

Foto: Bär und Bulle in der Krise: Euro-Länder haben in den Jahren der Währungsunion im Durchschnitt einen Rangplatz im OECD-Vergleich verloren

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