© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/12 20. Januar 2012
Zwischen Reichstag und Kanzleramt Kreditaffäre, Telefon-Affäre, dazu Wirbel über
angenommene Urlaubs- Es handelt sich um Verfehlungen, die unter Parteifunktionären bezeichnenderweise fast schon als Standard gelten. Nicht umsonst fällt beispielsweise die Kritik des Grünen-Chefs Cem Özdemir gegenüber Wulff auffällig bescheiden aus. Hat doch Özdemir einst selbst einen vergünstigten Kredit vom PR-Berater Moritz Hunzinger erhalten und darüber hinaus auch schon mal dienstlich angesammelte Flugbonusmeilen für Privatreisen genutzt. Weitaus aggressiver zeigte sich dagegen jüngst eine andere Truppe von zweifelhaftem Ruf. Zwischen 300 und 450 Personen hatten sich vergangene Woche vor dem Schloß Bellevue zu einer sogenannten Schuh-Demonstration versammelt, um Wulff zum Rücktritt aufzufordern. Um was für eine Gruppierung es sich dabei genau handelte, schien die Medien nicht so sehr zu interessieren. Kein Wort darüber, daß es sich bei dem Veranstalter um den Verein „creativ lobby of future“ (clof) handelt, der auch an der Organisation der Gedenkdemonstration für die Kommunisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am vergangenen Sonntag beteiligt war. Laut Informationen der „Vereinigung 17. Juni 1953“ wird die Luxemburg/Liebknecht-Demo seit 1992 von dem ehemaligen Stasi-Major und DKP-Aktivisten Klaus Meinel angemeldet. Meinel sei kurz vor der Wende zum Leiter ihrer Unterabteilung „Spezifische Kampfkräfte“ ernannt worden. Zu seinen Aufgaben zählten dabei unter anderem die „Ausführung subversiver Akte gegen die Bundesrepublik“. Pressesprecher des Vereins clof e.V., der ironischerweise im „Haus der Demokratie“ residiert, ist das SPD-Mitglied Jürgen Jänen. Und: Als „Partner“ fungiert laut clof unter anderem auch die CDU in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf. Kein Wunder also, daß sich christdemokratische Funktionäre im Fall Wulff einmal mehr in ihrer Parade-Disziplin übten: dem Wegducken. Einige ganz mutige Unionspolitiker hingegen wagen sich jetzt, wo der Bundespräsident für alle sichtbar medial zu Boden gerungen wird, aus der Deckung, um Unverständnis über dessen Krisen-Management zu äußern. Doch Bedenken hätten der Union viel früher kommen müssen. Schließlich waren Wulffs Eigenheiten in CDU-Kreisen bekannt. Denn Anrufe von der Qualität wie die auf der Mailbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann hat Wulff schon öfter hinterlassen. Als sich in den neunziger Jahren die Wiederwahl eines von ihm protegierten niedersächsischen JU-Landesvorsitzenden zur Hängepartie entwickelt hatte, griff der damalige CDU-Landesvorsitzende wutentbrannt zum Hörer. Auf der Mailbox einiger JU-Funktionäre waren anschließend ähnlich deutliche Worte zu vernehmen wie nun bei Diekmann. |