© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Vorsichtiger Optimismus
Familienreport: Die Mehrheit der Kinderlosen wünscht sich Nachwuchs
Lion Edler

Die Bundesfamilienministerin läßt keinen Zweifel daran aufkommen, worin sie bis zur Bundestagswahl 2013 ihre wichtigsten Aufgaben sieht: Im Vorwort des in der vergangenen Woche vorgestellten Familienreports 2011 verweist Kristina Schröder (CDU) vor allem auf Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern sollen. „Frauen und Männer sollen es sich leisten können“, so Schröder, „zu sagen ‘Familie zuerst!’ – und zwar auch und gerade dann, wenn sie berufstätig sind“. Wichtige Bausteine dafür seien das Elterngeld und die Familienpflegezeit. Von Geburtenschwund und Unterstützung für Familiengründungen ist dagegen nicht die Rede.

Dabei sieht es hierbei anhaltend dramatisch aus, wie der Bericht feststellt. Mit einer Geburtenrate von 1,39 Kindern pro Frau zwischen 15 und 49 Jahren ist Deutschland weit von einem Ende des Schwunds der angestammten Bevölkerung entfernt, für den eine Geburtenrate von etwa 2,1 nötig wäre. Mit einer Geburtenrate von 1,46 stehen die östlichen Bundesländer mittlerweile etwas besser da als das Gebiet der alten Bundesrepublik (1,39). Immerhin gibt es jedoch beim gesellschaftlichen Verhältnis zur Familie vorsichtigen Anlaß zu Optimismus. 53 Prozent der Kinderlosen sagten dem Familienreport zufolge im Jahr 2011, daß sie „bestimmt“ einmal Kinder haben möchten, 28 Prozent „vielleicht“. Damit ist eine leichte Steigerung gegenüber 2010 erreicht (52 beziehungsweise 26 Prozent) und eine relativ starke gegenüber 2008 (46 beziehungsweise 32 Prozent). Auch die als ideal angesehene Kinderzahl steigt leicht an, mit durchschnittlich 2,2 Kindern liegt sie über dem Wert von 2001 (2,0 bei Frauen, 1,7 bei Männern). Für Zuwanderer liegt die ideale Kinderzahl bei durchschnittlich 2,3 Kindern, wobei dieser etwas höhere Wert vor allem der Tatsache geschuldet ist, daß die türkischstämmigen Befragten durchschnittlich eine Kinderzahl von 2,6 Kindern angaben.

Starke mediale Aufmerksamkeit erhielten die Passagen des Familienreports über die Formen des Zusammenlebens. Hierbei dominiert die Ehe weiterhin mit einem Anteil von 72 Prozent unter den „Familienformen“, wobei sich der Anteil jedoch gegenüber 1998 um mehr als ein Fünftel reduzierte (siehe Grafik). Bei Zuwanderern stellt die Ehe gar 79 Prozent der Lebensgemeinschaften. Der Anteil der Alleinerziehenden stieg indes auf 19 Prozent (1998: 14 Prozent). Die Wahrscheinlichkeit für eine Familiengründung steigt durch die Ehe, bei den Familien mit drei oder mehr Kindern sind gar 84 Prozent der Eltern verheiratet. 70 Prozent der deutschen Bevölkerung empfinden die Ehe denn auch als „nicht überholt“, stellt der Report fest. Drei Viertel der verheirateten Männer und zwei Drittel der verheirateten Frauen sind zudem der Ansicht, „daß Kinder in der Ehe am Besten aufgehoben sind“. Das von der Bundesregierung eingeführte Elterngeld halten 69 Prozent der Befragten für eine gute Regelung, bei den Beziehern des Elterngelds sind es 85 Prozent.

Die Opposition ließ nach der Veröffentlichung des Reports kein gutes Haar an Schröders Familienpolitik. Die Konzepte der Bundesregierung seien „verstaubt“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katrin Göring-Eckardt. Obwohl in den östlichen Bundesländern rund 61 Prozent der Neugeborenen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften zur Welt kämen, weigere sich Schwarz-Gelb noch immer, „eine Abschmelzung des Ehegattensplittings vorzunehmen“. Zudem müsse die Koalition Abschied von der Idee eines Betreuungsgeldes nehmen. Diese „staatlich geförderte Unterstützung antiquierter Familienmodelle“ sei kontraproduktiv. Die hierfür geplanten Ausgaben in Höhe von 2,4 Milliarden Euro sollten lieber in einen „konsequenten Ausbau der Betreuungsinfrastruktur“ fließen, forderte die Grünen-Politikerin.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Diana Golze warf der Regierung Scheitern bei der Armutsbekämpfung vor. Sie verwies auf den Anstieg der „Armutsrisikoquote“ bei Kindern gegenüber dem Vorjahr von 16 auf 19 Prozent. Um Abhilfe zu schaffen, seien ein gesetzlicher Mindestlohn und die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze nötig.

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