© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

Blick in die Medien
Die Hochzeit meines besten Parteifreundes
Toni Roidl

Auch Piraten brauchen Liebe. Fabio Reinhardt (31), Berliner Abgeordneter der Piratenpartei, machte der Politikwissenschaftlerin Julia Schramm (26) am Rande einer Protestdemo einen Heiratsantrag – und sie sagte ja. Die glückliche Piratenbraut twitterte die Nachricht sogleich in die Netzwelt. Doch Fraktionskollege Gerwald Claus-Brunner (39), Computer-Bastler mit Latzhose und Palästinensertuch, zog den Entersäbel! Er kommentierte: „21. Jahrhundert und dann heiraten, wie rückständig ist das denn?“ Claus-Brunner vermutet hinter dem trauten Pärchenglück Meuterei! Für ihn ist Heiraten „die Konterrevolution des Spießbürgers!“ Die erboste Braut giftete öffentlich zurück: „Lieber rückständig als intolerant!“

Die Heiratsfrage wurde zum parteiinternen Grundsatzstreit. Die Debatte schlug so hohe Wellen, daß die Hochzeit zum Thema auf der ersten Fraktionssitzung des Jahres geriet. Der Vorwurf: Inkonsequenz. Julia Schramm bezeichnet sich selbst als „Post-Gender-Feministin“ und klempnert sonst gerne politisch an den traditionellen Geschlechterrollen herum. Und nun will sie vor den Altar?

Eilig erklärte das Paar, es wolle ja nicht kirchlich heiraten, und versprach, Steuerbegünstigungen der Partei zu spenden, um den Piraten-Gender-Feminismus vor weiterem Schaden zu bewahren.

Schaden nahm dabei allerdings die Medienkompetenz der Twitter- und Facebook-Partei. Sonst tragen die auskunftsfreudigen Kommunikationsprofis jedes noch so redundante Blabla in die virtuelle Öffentlichkeit. So wurde schon aus Sitzungen getwittert, jemand habe einen Furz gelassen.

Und nun bleibt der Nachrichtenkanal plötzlich still. Entnervt erklärte Julia Schramm auf Anfrage des Online-Portals Der Westen, sie sei „zu keiner Stellungnahme bereit“.

Willkommen in der Realität. Die JUNGE FREIHEIT wünscht dem Paar trotzdem alles Gute zur Hochzeit.