© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

Schatten der Vergangenheit
Tschechien: Politischer Zwist um Entschädigung der katholischen Kirche / Städte und Gemeinden fordern schnelles Handeln
Paul Leonhard

In Tschechien muß die katholische Kirche auch 22 Jahre nach der politischen Wende um die Rückgabe ihres Eigentums kämpfen. Es geht um jene Kirchen, Klöster, Schulen, Ländereien und Kunstwerke, die die Kommunisten nach dem Sturz der Demokratie 1948 enteigneten.

Dominik Duka, Vorsitzender der Tschechischen Bischofskonferenz und einst politischer Gefangener, hat erleben müssen, wie seit 1990 immer wieder geschlossene Übereinkommen zwischen Staat und Kirche am Parlament scheiterten. Die seit Jahren anstehende Trennung von Staat und Kirche gestaltet sich kompliziert. Böhmen und Mähren sind in den 40 Jahren zu einer weitgehend atheistischen Region geworden. Bei einer Volkszählung 2001 bezeichneten sich mehr als 58 Prozent der Tschechen als konfessionslos. 26,3 Prozent bekannten sich zur römisch-katholischen Kirche, 2,2 Prozent zu protestantischen Kirchen. So erklärt sich, daß sich 69 Prozent der Tschechen in einer aktuellen Umfrage der Agentur Stem gegen eine Rückgabe des verstaatlichten Eigentums aussprechen.

Der jüngste Kompromiß sieht vor, daß die Kirchen 56 Prozent ihres einstigen Eigentums im Wert von rund drei Milliarden Euro zurückerhalten sowie eine Zahlung von rund 2,4 Milliarden Euro plus Zinsen in den nächsten 30 Jahren. Ende August soll dem Parlament ein endgültiger Gesetzentwurf vorliegen. Das Gesetz könnte dann zum 1. Januar 2013 in Kraft treten.

Kommunisten wie Sozialdemokraten lehnen die Entschädigung jedoch ab. Erstere fordern eine Volksabstimmung. Letztere sind der Meinung, daß kirchliches Eigentum nie privates Eigentum gewesen sei. Zwischenzeitlich wurde vom Legislativrat der Regierung verlangt, daß vor der Rückgabe eine Inventur durchgeführt und jede Übergabe durch das Kabinett beschlossen werden müsse. Die Kirche drohte ihrerseits, erneut Gerichte einzuschalten.

Der Kompromiß ist für Erzbischof Duka eine gute Lösung, von der alle Nutzen haben werden. „Wie es im Parlament üblich ist, kann es aber sein, daß noch bestimmte Änderungen und Vorschläge unterbreitet werden“, so Duka gegenüber Radio Prag. Dann müsse erneut nach einer für alle tragbaren Regelung gesucht werden. Bereits 2008 war ein Gesetzentwurf im Parlament gescheitert.

Inzwischen machen die Städte und Gemeinden mobil. Sie sehen ihre Entwicklung gefährdet, wenn es nicht endlich zu einer Entschädigung kommt. Sie wollen über die Flächen in besten Innenstadtlagen verfügen, was ihnen aber ein Gesetz von 1991 untersagt, solange es kein Entschädigungsgesetz gibt.