© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

Moffensausen
Niederlande: Der Ansturm deutscher Studenten wird zum Politikum / Rufe nach Kompensation
Mina Buts

Wir müssen das Massachusetts von Europa werden. In diesem US-Bundesstaat sitzen die Topuniversitäten mit zahlreichen Topbetrieben“, so der niederländische Wirtschaftsdozent Lex Borghans von der Universität Maastricht. Um diesem Ziel näher zu kommen, werben die grenznahen niederländischen Universitäten seit Jahren um deutsche Abiturienten. Doch genau dieses Vorgehen kritisiert jetzt der Staatssekretär im Bildungsministerium, Halbe Zijlstra. Die Kosten, die sie im Bildungswesen verursachten, seien deutlich höher als ihr Nutzen, Deutschland solle sich daher künftig finanziell an der Ausbildung seiner Studenten in den Niederlanden beteiligen, schrieb der Politiker der rechtsliberalen VVD in einem Brief an das Parlament.

Der Ansturm deutscher Abiturienten auf die Niederlande wächst jährlich, schon jetzt stellen sie mit 24.000 die mit Abstand größte ausländische Studentengruppe, gefolgt von 4.000 Chinesen. Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht, im Gegenteil. 2013 wird es in Nordrhein-Westfalen durch die Verkürzung der Schulzeit von 13 auf 12 Jahre doppelt so viele Schulabgänger geben. Die Abschaffung der Wehrpflicht schlägt schon in diesem Jahr durch. Auch der Numerus clausus für begehrte Studienfächer befördert den Exodus noch: An der grenznahen Universität Twente in Enschede stellen die Deutschen mehr als 60 Prozent der Studenten im Fach Psychologie, bei den Erstsemestern sind es sogar mehr als drei Viertel. Die niederländische Organisation Nuffic, die für die internationale Zusammenarbeit im Hochschulwesen steht, hat nun in einer Kosten-Nutzen-Analyse errechnet, daß die ausländischen Studenten den Staat jährlich 108 Millionen Euro kosten, 6.000 Euro pro Kopf.

Dabei gelten die deutschen Studenten keineswegs als unerwünschte „Moffen“. Im Gegenteil: Der Leiter der Technischen Universität Venlo, Hans Aarst, bescheinigt ihnen, daß sie älter, erwachsener und im positivsten Wortsinne auch strebsamer seien. Man müsse sie abends förmlich aus dem Lehrgebäude jagen, die niederländischen Studenten sollten sich daran ein Beispiel nehmen.

Auch Nuffic nennt gute Gründe für die ausländischen Studenten: Sie würden Defizite im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich ausgleichen, gleichzeitig das Unterrichtsniveau hochschrauben und nicht zuletzt sei deren Internationalität auch eine gute Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt. Doch genau hier liegt das Problem: Nur jeder zehnte deutsche Hochschulabsolvent arbeitet später auch in den Niederlanden. Mittlerweile gibt es Universitäten, wie die Hochschule Saxion (Enschede), die ihre Studienanfänger nach ihrer späteren Ausrichtung auf dem Arbeitsmarkt befragt. Wenn die Niederlande dabei nicht als erstes Ziel benannt werden, wird den Bewerbern die Suche nach einem anderen Studienort nahe gelegt. Die aktive Werbung für ausländische Studenten, die Twente und Saxion jahrelang betrieben haben, müssen sie jedenfalls auf Druck von Staatssekretär Zijlstra künftig aufgeben.

Foto: Deutsche Studenten an der Universität von Maastricht: „Die Kosten, die sie verursachen, sind deutlich höher als ihr Nutzen“