© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

Versöhnung als Einbahnstraße
Geschichtspolitik: Die Rückkehr des Idstedt-Löwen nach Flensburg findet in Dänemark keine entsprechende Antwort
Hans-Joachim von Leesen

Eine Geste der Versöhnung zwischen Deutschen und Dänen“ sollte der Idstedt-Löwe sein, als dieses alte dänische Siegesdenkmal im vergangenen Jahr aus seinem Exil in Kopenhagen auf seinen ursprünglichen Standort auf dem Alten Friedhof in Flensburg zurückkehrte, wie Oberbürgermeister Simon Faber, Angehöriger der dänischen Minderheit und dessen Partei, des Südschleswigschen Wählerverbandes, in seiner Einweihungsrede meinte (JF 38/11).

Teilnehmer der Zeremonie waren überwiegend mit Bussen aus dem Königreich angereiste Dänen und einige Mitglieder der starken dänischen Minderheit in Flensburg, während die Deutschen zu Hause geblieben waren. In mehreren Reden wurde verkündet, daß nunmehr Freundschaft zwischen Deutschen und Dänen herrsche, woran allerdings die Mehrheit im Grenzland schon seit vielen Jahren nicht mehr gezweifelt hatte.

Nun erfährt die anachronistisch anmutende Denkmalsverpflanzung ein skurriles Nachspiel. Der im Königreich prominente Bildhauer Kenn Andre Stilling hatte die Ansicht geäußert, es sei eigentlich an der Zeit, daß auch von dänischer Seite ein Zeichen für die Versöhnung im lange umkämpften Grenzland gesetzt werde. Und dazu sei der im Jahre 2014 anstehende 150. Jahrestag der Schlacht um die Düppeler Schanzen im heute wieder dänischen Nordschleswig der geeignete Anlaß. Er schlug vor, die dänische Seite solle eine „poetische Plastik“ auf den Düppeler Schanzen errichten, um auf dem Schlachtfeld, auf dem preußische Truppen die dänische Armee 1864 besiegt hatten, einen „liebevollen Beitrag zur Geschichte“ zu leisten.

Zunächst erregte der Vorschlag in Dänemark keinen größeren Widerspruch. Sogar der Vorstand des dänischen „Graenseforening“, des einst mitgliederstarken Vereins, der für den Anspruch Dänemarks auf ganz Schleswig bis zur Eider eintrat und immer noch 18.000 Mitglieder zählt, hatte nichts dagegen. Der Vorsitzende lobte ausdrücklich die Idee eines „symbolischen Händedrucks“, der belegen sollte, „daß wir uns nach 150 Jahren Streit im Grenzland versöhnt haben und heute zusammenarbeiten, um die bestmögliche Zukunft füreinander zu schaffen.“ Das rief einige Grenzkämpfer aus dem dänischen Teil Nordschleswigs auf den Plan. Ein Vorstandsmitglied der nach streng Grundtvigschen, und das heißt: antideutschen Grundsätzen geführten Rönshoved Höjskole (Volkshochschule Randershof am nördlichen Ufer der Flensburger Förde) lehnte in einem Zeitungsartikel in JyIlands-Posten die Idee der versöhnenden Skulptur auf den Düppeler Schanzen entschieden ab, denn „Düppel symbolisiert nicht nur eine dänische Niederlage, sondern auch einen dänischen Willen, dänisches Recht zu verteidigen, das Recht auf (ganz) Schleswig“.

Ein ehemaliger Widerstandskämpfer nannte die Idee schließlich eine „grobe Provokation, eine Quelle für Unruhe und Spaltung der Bevölkerung“. Eine Lawine war losgetreten, und nun häuften sich die Leserbriefe in den örtlichen dänischen Zeitungen, in denen die „Geste der Versöhnung“ den Deutschen gegenüber abgelehnt wurde. Der Vorsitzende des Sonderburger Graenseforening, Christian Kronika, argumentierte: „Wir Dänen bedürfen keiner Versöhnung.“ Dem Flensburger Tageblatt sagte er, man solle Düppel für ein rein dänisches Gedenken an die Schlacht und ihre Folgen bewahren, denn „das sei man den Vorfahren schuldig; (...) fünf Generationen mußten unter deutscher Herrschaft leiden, und das sitzt tief“.

Von diesen kritischen Stellungnahmen alarmiert, erklärte der Vorstand des Graenseforening, er respektiere den Aufstand aus den eigenen Reihen im dänischen Grenzgebiet und zog damit seine Zustimmung für ein Versöhnungsdenkmal auf dem Schlachtfeld des Deutsch-Dänischen Krieges wieder zurück. Damit war das Projekt gestorben. Vor diesem Hintergrund erscheint der seinerzeitige Beschluß der Mehrheit der Flensburger Ratsversammlung, die dänische Regierung zu bitten, den Idstedt-Löwen als Zeichen der deutsch-dänischen Versöhnung nach Flensburg zu bringen, als unüberlegter und einseitiger geschichtspolitischer Schnellschuß.

In Flensburg stellt man sich nun die Frage, wie sich der aktuelle Denkmalsstreit in Dänemark auf die Bewerbung der Region Sonderburg als „Kulturhauptstadt 2017“ auswirkt, habe man sie doch auch damit begründet, daß im deutsch-dänischen Grenzgebiet die Aussöhnung der Nationalitäten restlos vollzogen worden sei. Der Antrag war übrigens im Sonderburger Stadtrat von einem Abgeordneten der Schleswigschen Partei, der Partei der deutschen Minderheit in Dänemark, eingebracht worden.

Foto: Schlachtfeld bei Düppel in Nordschleswig; Idstedt-Löwe in Flensburg: „Fünf Generationen mußten unter deutscher Herrschaft leiden“