© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

„Deutschland wird vielfältiger“
Integration: Eine Kampagne soll die Zahl der Einwanderer im öffentlichen Dienst erhöhen
Lion Edler

Zum Jahreswechsel hat die Bundesregierung eine mediale Offensive gestartet, mit der die Zahl der Einwanderer im öffentlichen Dienst deutlich erhöht werden soll. Die Kampagne, die in der Öffentlichkeit bislang auf wenig Resonanz gestoßen ist, könnte das Gesicht des Landes grundlegend verändern.

„Mehr Zuwanderer im öffentlichen Dienst“, lautet das Motto der multimedialen Initiative. Doch das Wort „Zuwanderer“ wird nur in der Überschrift benutzt, im Text werden daraus „Migranten“ oder „Menschen mit Migrationshintergrund“. Von diesen Personen sollen künftig „noch mehr“ im öffentlichen Dienst arbeiten, fordert die Regierung, denn: „Der öffentliche Dienst soll so vielfältig sein wie unser Land.“ Grundlage für das Vorhaben ist der im vergangenen Jahr beschlossene Nationale Aktionsplan Integration.

Um Beispiele für gelungene Integration anschaulicher zu machen, haben die Verantwortlichen der Kampagne dem Text zwei Werbevideos hinzugefügt, die mit Seifenoper-Musik hinterlegt sind. Unter anderem kommt der aus der Türkei eingewanderte Feuerwehrmann Senol Kahveci zu Wort: „Ja, Sie wissen ja, wie das ist, mit roten Autos – Feuerwehrautos und so – hatte mich schon immer interessiert. Ist ein sehr abwechslungsreicher Beruf, und das wollte ich immer schon machen.“ Die Sprecherin des Films erklärt dem Zuschauer daraufhin, für den Mann sei „der Traum vieler kleiner Jungs in Erfüllung gegangen: er ist Feuerwehrmann geworden.“ Wer sich nun fragt, worauf diese Informationen denn hinaus wollen, und warum sie eigentlich von Interesse sind, wird sogleich aufgeklärt: Für die Erfüllung seines Traums, so die Sprecherin, habe der Mann mit den ausländischen Wurzeln „noch ein bißchen härter“ arbeiten müssen als andere. Schließlich habe er sich hierfür zunächst „durch die Tücken der deutschen Sprache kämpfen“ müssen. Inzwischen sei er in Deutschland angekommen, „fühlt sich jedoch in beiden Kulturen fest verankert“. Dies drückt sich in regelmäßigen Türkei-Urlauben aus, sowie darin, daß in seiner Familie auch türkisch gesprochen wird.

Das zweite Video zeigt die aus der Ukraine stammende 23 Jahre alte Bundespolizistin Julia Bilozercuk, die am Frankfurter Flughafen arbeitet. Ihre ukrainische Abstammung sei für sie „nie ein Nachteil gewesen, erzählt eine Stimme aus dem Off – „im Gegenteil“. Denn gerade am Flughafen sei ihre Mehrsprachigkeit „oft gefragt“. Als abschließenden Satz beschwört der Film noch einmal: „Deutschland wird vielfältiger – das soll sich auch „im öffentlichen Dienst widerspiegeln.“

Um dies zu bewerkstelligen, hat die Bundesregierung ein „Dialogforum“ mit dem Titel „Migranten im öffentlichen Dienst“ ins Leben gerufen. Ziel des Forums ist unter anderem die Schaffung einer zentralen Netzseite „für Migrantinnen und Migranten“, auf der Stellenangebote in Bund, Ländern und Kommunen aufgelistet werden sollen. Zudem soll es eine „engere Zusammenarbeit“ zwischen öffentlichen Arbeitgebern und der Bundesagentur für Arbeit geben. Die Einführung eines Schülerpraktikums in Behörden soll außerdem Zuwanderern die Möglichkeit geben, „einen Einblick in die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Verwaltung zu bekommen“. Die Bundesregierung glaubt, Zuwanderer im öffentlichen Dienst könnten „wichtige Brückenbauer zwischen Bürgern und Verwaltung sein“. Der Nationale Aktionsplan Integration beinhaltet einen vielfältigen Maßnahmenkatalog für eine bessere Integration von Zuwanderern. Dazu gehörten unter anderem der Ausbau von 4.000 Kindertagesstätten zu „Schwerpunkt-Kitas Sprache und Integration“ sowie die Erhöhung der staatlichen Kinderbetreuungsquote bei den unter Dreijährigen, wobei ein „besonderer Schwerpunkt“ auf Angleichung der Betreuungsquote „von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund“ gelegt wurde.

Doch nicht nur in der Verwaltung wünscht die Regierung laut Aktionsplan mehr Zuwanderer. Als Ziel wird auch die Erhöhung des Zuwandereranteils in Heilberufen, bei ehrenamtlichen Tätigkeiten im Sport und sogar im „Bundesfreiwilligendienst“ genannt. Weitere gefühlsbetonte Videos mit Seifenoper-Untermalung sind also nicht auszuschließen.

Foto: Ausriß aus einer Werbeanzeige der Kampagne: „Feuerwehrautos und so“