© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Mehr investigativer Journalismus
Österreich: Die Wochenzeitung „Zur Zeit“ erscheint jetzt als Nachrichtenmagazin
Ronald Gläser

Für die Zur Zeit beginnt dieser Tage eine neue Ära. Die österreichische Wochenzeitung hat ihr Format geändert und – mehr noch – ihr Selbstverständnis. Sie erscheint von nun an als Nachrichtenmagazin. „Wir wollen investigativer sein“, faßt Chefredakteur und Herausgeber, der Europaabgeordnete Andreas Mölzer, die neue Blattlinie zusammen.

Mehr Bilder, mehr Reportagen. Die neue ZZ soll sich mit der großen Konkurrenz wie Profil oder News messen können. Mölzer hat einiges in petto. So kündigt er an, das Ost-Engagement österreichischer Banken unter die Lupe („Da kommen noch große Probleme auf uns zu“) oder die Parallelgesellschaften in Österreich stärker ins Visier nehmen zu wollen.

Gemacht wird die Zeitung von einer achtköpfigen Wiener Redaktion. Mit den  freien Autoren arbeiten rund dreißig Leute an einer Ausgabe, so Mölzer. Weil die Arbeit immer aufwendiger wird und um die eigene Professionalität noch zu steigern, hat der 59jährige den früheren ORF-Chefredakteur Walter Seledec ins Boot geholt, der als gleichberechtigter, zweiter Chef fungiert – insbesondere dann, wenn Mölzer in Brüssel sein Mandat im Europaparlament ausübt.

Unter Mölzers Führung hat sich die ZZ zum führenden Blatt im dritten Lager entwickelt. Sie überragt auflagentechnisch die anderen freiheitlich-orientierten Publikationen: Da ist zum einen der nationalkonservative Eckart, zum anderen die Korporiertenzeitschrift Aula, die gerade ihr sechzigjähriges Bestehen feiern konnte. Beides Monatsmagazine. Nicht nur gemessen an der Auflage, auch durch die wöchentliche Erscheinungsweise hat Zur Zeit, die vor 15 Jahren aus der österreichischen Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT hervorgegangen ist, alle anderen freiheitlichen Zeitschriften hinter sich gelassen. Jetzt will die ZZ auch den deutschen Markt ins Visier nehmen. Die bislang untermotorisierte Berichterstattung über Deutschland soll ausgebaut und vielleicht auch die Deutschen als Kundschaft erschlossen werden.

„Wir bekennen uns zur deutschen Kultur, und wir schauen auch auf diesen Markt“, sagt Seledec. Deutschland kommt in der österreichischen Presse zu selten vor, klagt er. Das wolle er ändern.

Zur Zeit kann sich nicht ausruhen. Der „Quantensprung“ (Seledec über die Umstellung auf das Magazinformat) ist nötig, denn wie alle Zeitschriften muß auch sie die Konkurrenz durch das Internet fürchten. In Gestalt von Unzensuriert erwächst ZZ sogar eine Konkurrenzzeitschrift aus dem Internet. Die Betreiber der FPÖ-nahen Internetseite bringen seit 2011 auch ein gedrucktes Heft heraus – einer der seltenen Fälle, in denen Blogs zu echten Zeitungen emporwachsen. Meistens geht es andersherum: Zeitschriften verschwinden und werden nur noch online weitergeführt.

Unzensuriert.at war zunächst das persönliche Internettagebuch des stellvertretenden Parlamentspräsidenten Martin Graf (FPÖ). Bei anhaltendem Wachstum glaubt Chefredakteur Alexander Höferl, demnächst zwei bis drei feste Redakteure einstellen zu können.

Zur Zeit ist da schon weiter. Aber auch bei ihr fließen natürlich nicht Milch und Honig. Die Produktion der Zeitung ist ein täglicher Kampf. Die investigative Arbeit muß noch überwiegend den freien Autoren überlassen werden, die übrigens ein Cent pro Zeichen als Honorar erhalten. „Wir haben viele Honorationenschreiber“, räumt ein ZZ-Insider ein, und viele Idealisten, die ein hohes Maß an Idealismus mitbringen müssen, um unter diesen Bedingungen gute Arbeit abzuliefern.

Zwar profitiert die ZZ auch von der speziellen österreichischen Subvention für Zeitungen, genannt Presseförderung. Sie erhält einen Betrag in Höhe von mindestens 50.000 Euro pro Jahr. Außerdem kann sie mit der Unterstützung durch die FPÖ rechnen. Die Partei nimmt schätzungsweise bis zu tausend Abos ab. Trotzdem weisen sowohl Mölzer als auch Seledec die Behauptung, es handele sich bei ZZ um ein „Parteiblatt“, entschieden zurück. „Das waren wir nie“, widerspricht Mölzer und verweist auf mehrere FP-kritische Artikel in jüngster Zeit. Und auch Seledec bekräftigt: „Wir lassen uns nicht von der Partei den Mund verbieten.“ Es dürfe keine direkte materielle Unterstützung geben, weil das die Unabhängigkeit des Magazins untergrabe.

Andererseits funktionieren die Fußangeln der politischen Korrektheit in Österreich mindestens so gut wie in der Bundesrepublik: Sobald die Zeitung einen namhaften Anzeigenkunden akquiriert hat, kriegt dieser Drohungen von linksextremen Organisationen und wird drangsaliert, bis er die Inserate wieder einstellt. Bislang ist das Anzeigengeschäft nicht gerade der Goldesel im ZZ-Stall.

Daran wird sich auch in Zukunft nicht viel ändern. Gefahren drohen jedoch weniger durch einen Rückgang der Auflage oder ausbleibende Annoncen, sondern eher durch interne Reibereien. „Die neue Doppelspitze könnte für Konflikte sorgen“, sagt ein Zur-Zeit-Insider.

Andererseits bieten sich auch Chancen, wenn die ZZ tatsächlich auf den deutschen Markt vorstößt und neue Leser für sich gewinnen kann. Ob dies bereits 2012 geschieht, ist aber noch nicht entschieden. Wir warten die ersten Monate ab, wie das Magazin läuft, sagen übereinstimmend alle Verantwortlichen in Wien. Danach ist eine Expansion nicht ausgeschlossen.

Zur Zeit. Österreichisches Nachrichtenmagazin

 www.zurzeit.at

Fotos: Unzensuriert erscheint vierteljährlich FPÖ-nah Auflage: 1.000; Freiheitliche Presselandschaft: Andreas Mölzers ZZ ist das wichtigste Medium im blauen Lager; Zur Zeit erscheint  wöchentlich FPÖ-nah Auflage: 20.000; Der Eckart Monatszeitschrift nationalorientiert Auflage: ca. 5.000; Die Aula Monatsmagazin Waffenstudenten-/ Korporierten-Zeitschrift Auflage: ca. 5000

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