© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Trübe Aussichten für die deutsche Wirtschaft
Euro-gelähmter Einbruch
Bernd-Thomas Ramb

Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr sind allenthalben trübe. Selbst die Bundesregierung senkte ihre Wachstums­prognose für 2012 auf nur noch ein Prozent. Die Deutsche Bank geht realistischer von einem Nullwachstum aus und würde sich nicht wundern, wenn die Wirtschaftsaktivitäten in Deutschland sogar leicht schrumpfen. Andere sehen es ähnlich, einig sind sich alle nur in einem: Die anderen Länder sind noch schlimmer dran. Starke Wirtschaftseinbrüche in den Euro-Problemländern Griechenland (-3), Portugal (-2,9), Italien (-1,1) gehen mit ebenfalls negativen Wachstumserwartungen in Spanien (-0,9), Österreich und Holland (-0,5) sowie Frankreich (-0,3) einher. Ganz Euro-Land wird voraussichtlich um -0,5 Prozent schrumpfen.

Die vergleichsweise optimistischen Erwartungen für Deutschland lassen sich auf zwei Faktoren zurückführen. Erstens zeigen die Erfahrungen, die vor drei Jahren im Rahmen der weltweiten Bankenkrise um den Zusammenbruch der Lehman-Bank gemacht wurden, daß die deutsche Wirtschaft flexibler auf weltwirtschaftliche Schocks reagiert als andere Länder. Die hohe Exportabhängigkeit, vielfach sowohl als Stärke wie auch als Pferdefuß der deutschen Wirtschaft herausgestellt, führt nicht zu einer vollständigen Übertragung der außenwirtschaftlichen Lähmung auf die deutsche Wirtschaft. Die gleichzeitig bestehenden hohen Importaktivitäten können bei Exportausfällen elastisch zurückgefahren werden, was per Saldo den Auslandsschock abfedert.

Zweitens können die meisten Deutschen (noch) auf genügend Erfahrung und Weisheit bei der wirtschaftlichen Verarbeitung von Krisenzeiten zurückgreifen. Einbrüchen auf der Einnahmeseite stellen die privaten Haushalte einerseits eine Zurückhaltung auf der Ausgabenseite entgegen, andererseits aktivieren sie einen Teil ihrer Rücklagen, die sie für Notzeiten angespart haben. Diese Tugend steht allerdings im scharfen Kontrast zum staatlichen Haushaltsgebaren, das Sparen im Sinne einer Rücklagenbildung nicht kennt und sogar zu gegensätzlichen Reaktionen neigt: Bei sinkenden Einnahmen wird noch mehr ausgegeben und die Verschuldung noch schneller in die Höhe getrieben.

Diese Schuldenmacherei bildet die Kernursache der aktuellen Währungskrise und damit der größten Unsicherheit in diesem Jahr. Wie geht es mit dem Euro weiter? Wird er bereits 2012 durch eine neue Währung abgelöst oder zunächst durch eine Hyperinflation entwertet? Letzteres schmälert die Kaufkraft der Rücklagen der Privathaushalte für die wirtschaftlich schweren Zeiten, die in diesem Jahr zu erwarten sind. Ob dann Deutschland noch mit einem Nullwachstum glimpflich davonkommt, muß stark bezweifelt werden. Der kommende Einbruch der Weltwirtschaft wäre von den Deutschen mit einer eigenen Währung wesentlich leichter zu verkraften.

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