© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Säbelrasseln am Golf
USA: Nächste Runde im Atomstreit mit dem Iran
Günther Deschner

Nachdem die letzten Atomverhandlungen mit dem Iran im Januar 2011 ergebnislos zu Ende gegangen waren, herrschte fast ein Jahr lang Funkstille, bis im November ein Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation für Aufregung sorgte, der Teheran ernsthafte Ambitionen zur Entwicklung von Nuklearwaffen unterstellte und der in den vergangenen Wochen eine Eskalation von Drohungen, Gegendrohungen und Erpressungsmanövern auslöste. Die USA verabschiedeten ein Militärhaushaltsgesetz, das auch Sanktionen gegen Iran zum Inhalt hat, das auch die Erzwingung eines Boykotts der iranischen Zentralbank vorsieht, über die der Gottesstaat seine überlebenswichtigen Ölgeschäfte abwickelt.

Als Reaktion darauf hat der Iran erklärt, er könnte gegebenenfalls die Meerenge von Hormus sperren, den Flaschenhals, durch den das Golföl auf den Weltmarkt transportiert werden muß – die Erdölversorgung Chinas wäre davon betroffen, doch der Löwenanteil ist für westliche, vor allem EU-Staaten bestimmt. Wenn wir keine Devisen mehr für unser Erdöl erhalten, so die iranische Logik, haben wir auch keinen Grund, Erdöl durch „unsere“ Meerenge passieren zu lassen.

Gleichzeitig führte die iranische Marine Manöver östlich der Meerenge durch. Offiziell sollten diese „die iranische Strategie in den Golfgewässern erproben und verbessern“. Auf die iranischen Manöver hin folgten Erklärungen der US-Admiralität, die USA würden keine Sperre der Meerenge, die den Persischen Golf mit dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean verbindet, dulden, und ihre Flotte sei in der Lage, den „freien Zugang zu internationalen Gewässern“ zu garantieren.

Die Drohungen von iranischer Seite kamen von Vizepräsident Mohammad-Resa Rahimi, der keine außenpolitische Funktion hat, und von Generalen der Revolutionsgarden, die keine politischen Entscheidungen treffen. Je heftiger die Krise, desto zügelloser wurde aber die Rhetorik: Die USA seien ja nur „ein Spatz im Körper eines Dinosauriers“ und hätten nichts zu melden, spotteten sie. Hormus zu schließen, sei „nicht schwerer, als ein Glas Wasser zu trinken“.

Die Teheraner Regierung selbst jedoch hat sich mit solchen Äußerungen weitgehend zurückgehalten, und das Außenministerium war um Schadensbegrenzung bemüht: Daß der Iran die Absicht habe, die Meerenge zu blockieren, wurde dementiert. Eine Blockade sei nur denkbar, wenn man dazu gezwungen werde, meldete die Nachrichtenagentur ISNA.

Washington hat daraufhin mit propagandistischem Aufwand ein bereits 2010 ausgehandeltes und bewilligtes Waffengeschäft mit Saudi-Arabien bestätigt, das den Verkauf von Kampfflugzeugen im Volumen von 60 Milliarden Dollar an das Königreich vorsieht. Kernstück des Pakets sind 74 Kampf-Jets des in der Region überlegenen Typs F-15. Daß das Abkommen jetzt hinausposaunt und gleichzeitig die Lieferung modernster Abfangraketen an die Vereinigten Arabischen Emirate gemeldet wurde, ist Teil der Propagandaschlacht, die seit Wochen zwischen Iran und den USA stattfindet.

Die Rivalität zwischen Saudi-Arabien und Iran besteht nicht erst seit der „Islamischen Revolution“ von 1979. Der Antagonismus zwischen den beiden religiös verfaßten Gottesstaaten, der schiitischen Islamischen Republik Iran und dem wahabitisch-sunnitischen Königreich Saudi-Arabien, hat sich seither verschärft. Es ist das geopolitische Klima in diesem Umfeld, das auf eine Eskalation hinweist. Die Saudis, die wichtigsten Verbündeten der USA am Golf, sind von der Angst vor der „schiitischen Atombombe“ – und damit der strategischen Übermacht – Irans getrieben. Doch seit dem US-Truppenabzug aus dem Irak hat sich die geostrategische Lage in dieser Region noch weiter zugunsten des Iran verändert. Bagdad wendet sich zunehmend dem Iran zu, das seine Vormachtstellung in der Region ausbauen will.

Mitten in der aufgeheizten Diskussion über die Straße von Hormus will der Iran auf einmal die Atomverhandlungen wieder aufnehmen. Die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland wurden aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Chefunterhändler Said Dschalili will „bald“ darüber informieren, wann, wo und wie nach iranischer Vorstellung ein neues Treffen stattfinden soll.

Foto: Iranisches Manöver nahe der Straße von Hormus: Muskelspiele Teherans an der wichtigen Ölroute

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