© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Keine Sympathie für das Militär
Dresden: Das neugestaltete Bundeswehr-Museum weicht bei seiner Suche nach der Spur der Gewalt in der Geschichte zentralen Fragen aus
Johannes Meyer

Mit dem Militärhistorischen Museum hat die Bundeswehr der Stadt Dresden seit 1990 nicht nur ein Museum erhalten, das sie von der Nationalen Volksarmee übernommen hat, sondern nun auch einen Besuchermagneten geschaffen, der einen Monat nach seiner Eröffnung im Oktober des abgelaufenen Jahres bereits 100.000 Besucher angezogen hat.

Dabei ist dieser Ansturm wohl nicht unbedingt dem Thema Militär geschuldet, das diesem Haus den Zweck und Namen gibt – obwohl auch die vorherige sozialistisch-bundesrepublikanisch gemischte Ausstellung bereits gut besucht war. Vielmehr war dem Projekt das notwendige Interesse der Öffentlichkeit vor allem durch das architektonische Konzept des amerikanischen Architekten Daniel Libeskind gesichert, der nahezu zeitgleich mit dem Entwurf für die Neubebauung des „ground zero“ in New York für Schlagzeilen sorgte. Eine Verknüpfung, die geradezu als Paradigma für dieses Museum der „Geschichte der Gewalt“ gedeutet werden kann.

Und an Deutungen fehlt es gerade bei diesem Thema in Deutschland sicherlich nicht. Sein Keil, den er quer durch das als Arsenal der sächsischen Armee erbaute Hauptgebäude getrieben hat, erfüllte die im wissenschaftlichen Beirat erhobene Forderung, dieser Architektur des 19. Jahrhunderts mit weniger Respekt entgegenzutreten. Diese Gebrauchsarchitektur, die schon durch Krieg und sozialistische Einwirkung einen Teil ihres Charmes verloren hatte, ist nun innen und außen durch den Zeitgeist des ausgehenden 20. Jahrhunderts gekennzeichnet. Damit polarisierte er die Interessierten und sorgte für die gewünschte Aufmerksamkeit der freundlich Desinteressierten.

Tausende Menschen gehen nun über die große Freitreppe auf den Keil zu, der auch an einen großen Schiffskiel erinnern kann, der aus dem Hause heraus stößt und so unwillkürlich die deutsche Flottenpolitik des Kaiserreiches ins Gedächtnis ruft – also durchaus anderes bewirken kann als der beabsichtigte auf die vernichtende Dresdner Bombennacht vom 13. Februar 1945.

Vor dem Gebäude ist der gebrochene Schriftzug des Hauses durchaus attraktiv gestaltet. Jedoch spürt der sensible Besucher geradezu, wie das moralische Unbehagen, sich mit dem Thema Militär beschäftigen zu müssen, bereits hier gestalterisch zum Ausdruck kommt. Und hier ist bereits das Thema angelegt, das den Besucher auch im Hause stetig begleiten wird. Sympathie oder freundliches Interesse für den Gegenstand der Darstellung sucht man vergebens. Das ist auch der Tatsache geschuldet, daß das Haus im Inneren durch die Umbaumaßnahmen seinen früheren Charme eines Gewölbes verloren hat. Dazu kommt, daß – wie in allen Museen – den beiden größten Feinden der Exponate – Licht und Besucher – gewehrt werden muß. Also bewegt man sich in einer gepflegten Dämmerung und wundert sich, daß ausgerechnet die Gemälde nicht hinter Glas gedeckt sind, während sonst fast alles – auch robuste Stahlreste von Panzern – zugriffssicher in Stellung gebracht wurde. Siebenhundert Jahre Geschichte „politischer, wirtschaftlicher und militärischer Gewalt“ werden mit über 10.500 Exponaten auf rund 13.000 Quadratmetern Fläche ausgestellt. Dabei fällt auf, daß so mancher Platz an Wand und Boden nahezu Leer ist. Freunde der Exponathäufung werden viel Platz finden, der noch gefüllt werden könnte. Hier ist jedoch die Handschrift der Gestalter Merz und Holzer/Kobler zur Geltung gekommen, die – wahrscheinlich ohne es zu wissen – den Raum beziehungsweise die leere des Gefechtsfeldes – als Faktor militärischer Operationen präsentieren. Dieser unbeabsichtigte Bezug dürfte dem unbedarften Besucher jedoch eher verborgen bleiben. Genauso, wie manches Detail der Exponate, weil sie zu hoch in der Vitrine oder auf einem Podest gezeigt werden. Wie zum Beispiel der eher schmucklose Mantel Görings, dessen Schulterstücke von einem normal gewachsenen Menschen nicht betrachtet werden können. Die zu kleinen Beschriftungen, die den Besucher, der lesen will, auch noch in unbequeme Bückhaltung zwingen oder ihm ein Suchspiel aufnötigen, bis er den Text auf dem Boden findet, verbessern die Wirkung auf den Besucher sicher auch nicht. Aber dafür mangelt es nicht an schwülstigen Interpretationen für das eher künstlerisch verstandene Arrangement der Exponate zu einem Thema, das nur noch entschuldigend und mit Schuldgefühlen präsentiert werden kann.

Die chronologisch aufgebaute Hauptausstellung ist jedoch noch nicht fertig. So mancher Ausstellungstext ist nicht nur schlecht zu finden, sondern fehlt ganz, so daß etwa die Vielzahl deutscher Pickelhauben als Dokument für die Bundesarmee des Reiches sich dem Besucher nicht erschließen. Hier zeigt die Kombination aus Personal- wie Kenntnismangel dieser Dienststelle der Bundeswehr ihre Wirkung. Das Außengelände ist noch eine lieblose Aufreihung von Großgerät ohne zündende Aussage. Aber hier wäre auch solide historische und militärische Fachkenntnis zu Taktik, Technik und alldem, was Kampf und Krieg als militärisches Handwerk so ausmacht, notwendig. Hier besteht die Hoffnung, daß die beim Stammpersonal des Hauses vorhandenen Kenntnisse sich ohne ambitionierte externe Gestalter auswirken können. Damit bewegt man sich aber wohl eher auf dem Gebiet schnöder Militärgeschichte, die nur bedingt Fragen zum anthropologischen Verständnis von Gewalt beantwortet und somit eine gewisse volkspädagogische Wirkung vermissen läßt.

Dieser Ansatz ist besonders deutlich beim Zweiten Weltkrieg zu spüren. Die verbindende Klammer des Grundthemas Gewalt ermöglicht es dabei sehr einfach, das Militär mit allem Negativen gleichzusetzen, das heute dem Stichwort Gewalt zugeschrieben wird. Hier wandelt die Ausstellung auf einem schmalen Grad, der vor allem dadurch nicht abgesichert wird, daß in der Bundeswehr die gleichen bohrenden Grundfragen vom Verhältnis von Politik, Gesellschaft und Militär gestellt werden wie insbesondere im Zweiten Weltkriegs. Der angesprengte Geländewagen Wolf weist auf die Gefahren für die deutschen Soldaten in Afghanistan hin. Aber was ist mit der Verantwortung der Politik für Ausrüstung, rechtlichen Rahmen, realistische juristische Rahmenbedingungen, glaubhafte Ziele und eine politische Strategie, in der das Militär nur ein Instrument des vernetzten Ansatzes ist?

Wo ist die Darstellung linksextremer Gewalt gegen die Bundeswehr und die Frage nach der Realität einer Parlamentsarmee, wenn Teile des Bundestages sogar aktiven Widerwillen gegenüber der Existenz der Streitkräfte bekunden? Hinweise zu diesen Fragen finden sich auch im „Ausstellungsführer“ und dem Sonderheft zur „Ausstellung und Architektur“ nicht. Das Militärhistorische Museum ist eine Dienststelle der Bundeswehr und seine maßgeblichen militärischen Angehörigen und vorgesetzten Dienststellen unterliegen unzweideutig dem Soldatengesetz. Das verpflichtet sie zu politischer Zurückhaltung und möglichst einvernehmlich positiver Presseresonanz. Schließlich ist auch hier bekannt, daß alles „politisch“ sein oder werden kann.

Dennoch empfiehlt sich ein Besuch dieser aufwendigen Ausstellung, die jedem etwas biete und mit ihren zwei Begleitbänden so manche ergänzende Sicht bietet. Für die Besucher bietet auch dieses Museum die Möglichkeit, sich nach eigenem Interesse ein Bild zu verschaffen und somit unabhängige Schlüsse zu ziehen. Dazu liefert das Sonderheft zur „Ausstellung und Architektur“etwa  durch Manfried Rauchensteiner als Mitglied des „Erweiterten Wissenschaftlichen Beirats“ interessante Hintergründe zur Erarbeitung der Museumskonzeption. Rauchensteiner stand in Wien lange dem eher klassisch gestalteten Heeresgeschichtlichen Museum vor, das bis heute mit dem „Radetzkysaal“ und dem Mythos des besetzten und dann von den Alliierten befreiten Österreichs einen anderen Ansatz musealer Darstellung eines Teiles deutscher Militärgeschichte erkennen läßt. 

 

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr

Das im Oktober 2011 wiedereröffnete Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden zeichnet auf einer Fläche von 13.000 Quadratmetern mit mehr als 10.500 Ausstellungsstücken die deutsche und europäische Militärgeschichte vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart nach. Die Museumsleitung versteht das Haus dabei als „multiperspektivisch, kritisch modern und auf der Höhe der Forschung“. „Ohne Pathos“ werde eine kritische Auseinandersetzung angestrebt. Der Schwerpunkt liegt dabei weniger auf der Technik- als auf der Kulturgeschichte der Gewalt.  Dem Umbau des historischen Gebäudes durch den für seine exzentrischen Entwürfe bekannten amerikanische Architekten Daniel Libeskind fielen rund ein Drittel der Bausubstanz zum Opfer. Zu dem Museum, das der Streitkräftebasis der Bundeswehr untersteht, gehört unter anderem auch die Sammlung des Luftwaffenmuseums in Berlin-Gatow.

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Olbrichtplatz 2,  01099 Dresden, Öffnungszeiten: Donnerstag bis Dienstag 10 bis 18 Uhr, Montag bis 21 Uhr, Mittwoch geschlossen.

 www.mhmbundeswehr.de

Foto: Verteidigungsminister de Maizière (r.), Architekt Libeskind (l.) bei der Museumseröffnung: Frage nach der Verantwortung der Politik

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