© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Hacker greifen Pressefreiheit an
Kriminalität: Unbekannte Täter veröffentlichen im Internet private Daten von Autoren, Interviewpartnern und Redakteuren der „JUNGEN FREIHEIT“
Felix Krautkrämer

Wir kriegen euch alle“: Mit dieser Drohung veröffentlichten Linksextremisten im Juli vergangenen Jahres auf dem Internetportal Indymedia eine Liste mit den privaten Adressen und Kontaktdaten von rund 380 Personen, darunter zahlreiche Autoren und Interviewpartner der JUNGEN FREIHEIT. Wie die Täter an die Daten gelangt waren, ist unklar. Eine Strafanzeige gegen Unbekannt blieb erfolglos. Für einige der auf der Liste Aufgeführten blieb die Veröffentlichung ihrer Adressen und Telefonnummern nicht ohne Konsequenzen. So besprühten etwa mutmaßliche Linksextremisten das Wohnhaus eines JF-Autors im Ruhrgebiet. Auch hier fand sich die Parole: „Wir kriegen dich!“

Am Wochenende dann schlugen linksextreme Hacker aus dem Umfeld des sogenannten Anonymous-Netzwerkes erneut zu: Auf einer Internetplattform mit dem Namen „Nazi Leaks“ veröffentlichten sie zahlreiche Datensätze, darunter die Namen und Adressen mutmaßlicher NPD-Spender und die Kundendaten rechtsextremer Onlineversände. Auch die Liste von Indymedia mit den JF-Autoren und -Interview-partnern fand sich dort. Zwar war die Internetseite bereits nach einigen Tagen kaum noch zu erreichen, dennoch wurde der Vorgang von zahlreichen Medien aufgegriffen: „Anonymous startet Enthüllungsportal gegen Neonazis“ meldete als die Nachrichtenagentur dpa. Andere zogen nach: „Anonymous stellt Rechte an den Web-Pranger“, titelte Spiegel Online, „Hacker gegen Rechts: Anonymous startet Nazi-Enthüllungsportal“ die Konkurrenz vom Focus. Und Welt Online schlagzeilte: „Hacker kämpfen im Netz gegen rechte Gruppierungen“.

Mehrere JF-Autoren und -Redakteure erhielten daraufhin Telefonanrufe, in denen sie aufs übelste beschimpft und bedroht wurden. Die JF erstattete umgehend bei der Staatsanwaltschaft Hamburg Anzeige gegen Unbekannt wegen der Veröffentlichung der Daten.

Eine weitere Anzeige richtete sich gegen den Berliner Politologen Hajo Funke, der die Inhalte von „Nazi Leaks“ ebenfalls auf seiner Internetseite zeitweise bereitgestellt hatte, dann aber – offenbar aus Sorge vor den rechtlichen Konsequenzen – wieder herunternahm.

Gleichzeitig bat die JF den Deutschen Journalistenverband (DJV), den Vorgang öffentlich zu verurteilen, was dieser jedoch ablehnte. Verbandssprecher Hendrik Zörner sagte, er sehe derzeit keinen Handlungsbedarf. Und das, obwohl sich unter den mit Privatadresse an den Pranger gestellten Journalisten auch namhafte Persönlichkeiten wie der langjährige Parlamentskorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Theodor-Wolff-Preisträger Karl Feldmeyer, die Reporterlegende Peter Scholl-Latour oder der frühere Chefreporter der Welt, Konrad Adam, befinden. Als Begründung gab Zörner an, er könne den Sachverhalt nicht recherchieren. Die Seite „Nazi Leaks“ sei nicht erreichbar, wodurch auch nicht nachgewiesen werden könne, daß die Liste dort veröffentlicht wurde. Übrig bleibe damit lediglich „Verdachtsberichterstattung“, auf deren Grundlage man sich nicht äußere. Daß die Daten zu der Zeit noch auf Funkes Internetseite zu finden waren und zudem nahezu sämtliche Medien in Deutschland bis hin zu tagesschau.de über den Vorgang berichteten, spielte für den DJV-Sprecher genausowenig eine Rolle wie die Tatsache, daß die Liste nach wie vor auf Indymedia einsehbar ist. Dort stünde sie ja bereits seit einem halben Jahr, so Zörner. Eine Stellungnahme sei daher „mit dem journalistischen Gebot der Aktualität kaum vereinbar“.

Kritik an dem Vorgehen von „Nazi Leaks“ kam dagegen vom Chaos Computer Club (CCC): Deren Arbeit verstoße gegen die Hacker-Ethik: „Private Daten schützen, öffentliche Daten nützen“, zitierte das Onlineportal der Süddeutschen Zeitung ein Mitglied des CCC. Zwar gebe es auch beim Chaos Computer Club einige, die fänden, Rechtsextremisten müßten ausgespäht werden, jedoch hätten entsprechende Veröffentlichungen in der Vergangenheit gezeigt, daß die Datenpakete auch Unbeteiligte enthielten, „deren Namen die Nazis als Pseudonyme verwendet hatten“.

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