© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Newt Gingrich. Als Buchautor ändert er gern die Geschichte, als Politiker gelingt es ihm nicht.
Der Getriebene
Elliot Neaman

Ohne Ego ist keine Karriere möglich. In dieser Hinsicht leidet Newton („Newt“) Gingrich nicht an Selbstüberschätzung. Der 68jährige wird geradezu von der Aura seiner Selbstherrlichkeit getragen. Wahlweise hält er sich für einen Wiedergänger Charles de Gaulles, Winston Churchills und Margaret Thatchers und seine 23 Jahre jüngere Ehefrau Callista – mittlerweile die dritte – für das Ebenbild Jackie Kennedys.

Gingrichs Doktortitel in Geschichte hebt ihn aus der Masse der Politiker mit Jura-Abschlüssen hervor. Als (Mit-)Verfasser von mehr als zwanzig Büchern hat er viele Themengebiete abgedeckt. Zumeist handelt es sich jedoch um politische Pamphlete. Seine fiktionalisierte alternative Geschichtsschreibung (darunter ein Buch über den Sieg der Konföderierten in der Schlacht von Gettysburg) stößt in der Zunft eher auf Belustigung. Das hindert Gingrich nicht daran, sich für einen tiefsinnigen Denker zu halten und sein geschichtliches und politisches Wissen bei jeder Gelegenheit zur Schau zu stellen.

Gingrichs Laufbahn begann 1978, als er einen Sitz im amerikanischen Repräsentantenhaus erringen konnte. In der Reagan-Ära machte er sich als Vorkämpfer für Steuersenkungen und Staatsverschlankung einen Namen. Den Höhepunkt seiner Laufbahn erreichte er 1994, als die Kongreßwahlen den Republikanern unter seiner Führung eine Mehrheit bescherten. Als erster republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses seit vierzig Jahren propagierte Gingrich seinen „Vertrag mit Amerika“, mit dem er die Washingtoner Regierung grundstürzend reformieren wollte. Doch es folgte ein Dauerclinch mit Präsident Bill Clinton, der zum zeitweiligen Behördenstillstand und dem gescheiterten Absetzungsverfahren führte. 1999 verlor Gingrich seinen Posten infolge von Bestechungsskandalen und Unmut unter seinen Anhängern.

Im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur konnte Gingrich zeitweise als „Anti-Romney“ punkten, eine Rolle, die er inzwischen an Rick Santorum abtreten mußte. Sein Stern sinkt schon wieder. Grundsärtlich stehen seiner möglichen Nominierung zwei große Hürden im Weg: zum einen sein aggressives Taktieren. Zum zweiten tun sich die Konservativen auch mit seinen Charakterschwächen schwer – mit den zwei betrogenen Ehefrauen etwa und damit, daß er eine von ihnen mit einer tödlichen Krebserkrankung im Stich ließ und gleichzeitig im Zuge des Lewinsky-Skandals zu Bill Clintons schärfsten Angreifern zählte. Gingrich ist zwischenzeitlich zum Katholizismus konvertiert und eifrig bemüht, seine Lebensgeschichte zum Gleichnis von Sünde und Sühne zu stilisieren. Viele Amerikaner erkennen jedoch richtig, daß er immer noch derselbe Newt ist, ein vom Ehrgeiz Getriebener, der seit jeher das tut und sagt, was er tun und sagen muß, um zu Macht zu kommen und an ihr festzuhalten. Barack Obama würde garantiert sehr viel lieber gegen ihn antreten als gegen Mitt Romney.

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