© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/11-01/12 / 23./30. Dezember 2011

Lebensstil statt Umsturz: Ekel Alfreds revolutionärer Auftrag
Komische Widerspruchsfigur
(ob)

Alfred Tetzlaff, der Held der TV-Serie „Ein Herz und eine Seele“, erreichte um 1975 zwei Drittel des westdeutschen Fernsehpublikums und stieg zum „nationalen Symbol“ auf. „Ekel Alfreds“ politische Inkorrektheiten, garantiert „antidemokratisch, reform-, frauen- und ausländerfeindlich“, lösten „hohe Kommunikationsbereitschaft“ im Familien- und Freundeskreis aus, und auch am Arbeitsplatz diente die Serie als „Kontakt-Brücke“. Dabei war der „Stromberg“-Vorgänger in der WDR-Kulturabteilung eigentlich als „Anti-Held“ konzipiert worden, wie Christina von Hodenberg darlegt (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 9/10-2011). Der Redakteur Peter Märthesheimer, Adorno-Schüler und SDS-Aktivist, sein Abteilungschef und der Regisseur galten als bekennende 68er. Haustyrann Alfred, als prototypischer „autoritärer Charakter“ des „verklemmten patriarchalischen Antidemokraten“, sollte als „komische Widerspruchsfigur zu bestehenden Verhältnissen“ die Zuschauermassen in „progressiver bis sozialistischer“ Richtung beeinflussen. Daß daraus nichts wurde, lag nicht allein an der Verwässerung sozial-revolutionärer WDR-Utopien durch den Drehbuchautor Wolfgang Menge. Denn die „Unterschichten“ rezipierten Alfred von vornherein mehr als Anreger zu einer Lebensstil- denn zu einer politischen Revolution. (ob)

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