© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/11-01/12 / 23./30. Dezember 2011

Von Wörtern und Unwörtern
Streßtest statt Bespaßung: Die Ausrufung von Begriffen des Jahres bietet weder Unterhaltung noch Aufregung
Richard Stoltz

Die Wahl des „Wortes des Jahres“ macht auch keinen rechten Spaß mehr. Soeben hat die Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff „Streßtest“ zum „Wort des Jahres“ gekürt, jetzt wartet alle Welt (oder doch zumindest die Feuilletonisten) auf die Verkündung des „Unwortes des Jahres“ durch eine konkurrierende Institution Mitte Januar kommenden Jahres. „Streßtest“ würde bequemerweise ja beide Seiten abdecken.

Ebenfalls kürzlich hat Langenscheidt ein spezifisches „Jugendwort des Jahres 2011“ erkoren: „Swag“. Es werde, sagt die Jury, „in Jugendkreisen ungeheuer oft angewendet“ und habe das bisher gebräuchliche „cool“ ersetzt. Das ist aber völliger Unsinn. „Swag“ ist – sogar im Englischen – gar kein Wort, nicht einmal ein Unwort. Es kommt dort von „to swagger“, großtun, aufschneiden; herumprotzen; irgendein Rapper hat es vor einiger Zeit ausgerülpst („Dreh den Swag auf!“), und seitdem macht es in einschlägigen Kreisen die Runde. Es ist aber so uncool wie nur möglich.

Der absolute Tiefstand ist erreicht. Fast mit Sehnsucht gedenkt man einiger Wörter und Unwörter des Jahres aus früheren Zeiten, „Rasterfahndung“ zum Beispiel, „Nullösung“, „Besserwessi“, „Peanuts“, „Wohlstandsmüll“. Über all diese Wörter konnte man sich aufregen, konnte darüber streiten, ob es nun Un- oder richtige Wörter des Jahres waren, konnte sich auch über sie amüsieren. Davon ist nicht die Spur übriggeblieben.

Heutige Jahreswörter machen, wie gesagt, keinen Spaß mehr, sie dienen nur noch der „Bespaßung“. Dieses Wort benutzen zahllose „Comedians“ bei ihren Auftritten. Sie müssen, sagen sie, ihr Publikum „bespaßen“. Ob das Publikum wirklich Spaß dabei hat, ist eine ganz andere Frage. Doch der Streßtest der Bespaßung ist auf jeden Fall da.

Vielleicht sollte man die „Bespaßung“ schon einmal als nächstes „Wort des Jahres“ (oder als Unwort?) vormerken. Noch besser wäre freilich die „Entspaßung“. Ob echtes Wort oder Unwort des Jahres – das spielt schon längst keine Rolle mehr.

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