© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/11-01/12 / 23./30. Dezember 2011

Rissige Freiheit
Islamkritiker: Rücktrittswelle von Funktionären erschüttert Stadtkewitz-Partei
Henning Hoffgaard

Eigentlich wollte „Die Freiheit“ mit ihrem Parteitag vor zwei Wochen ein Signal der Geschlossenheit aussenden (JF 51/11). Eigentlich. Schon wenige Tage danach haben selbst gutinformierte Mitglieder die Übersicht darüber verloren, welche Parteifunktionäre überhaupt noch im Amt sind. Soviel steht fest: Die Landesvorstände in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen sind fast geschlossen zurückgetreten. Auch die Reihen in der Bundesspitze haben sich gelichtet. Neben Schriftführer Felix Strüning hat sich auch der gerade erst gewählte stellvertretende Parteivorsitzende Marco Pino aus der Partei verabschiedet. In einem Brief beklagt Pino „extremistische Tendenzen“ bei der Freiheit und den Austritt von zahlreichen Mitgliedern des, wie er ihn nennt, „Realo-Flügels“.

Im Mittelpunkt des Streites steht ein „Thesenpapier zur Islamisierung“ Deutschlands, das der ehemalige Sprecher des bayerischen Landesverbandes, Michael Stürzenberger, auf der islamkritischen Internetseite „Politically Incorrect“ veröffentlichte. Darin hatte er unter anderem einen „Volksentscheid zum Verbot des Islams“ und eine anschließende Ausweisung aller Muslime gefordert, die ihrer Religion nicht „abschwören“. Für Strüning ein „Angriff auf die liberale Demokratie“. Nach weiteren scharfen Protesten aus der Partei strich Stürzenberger die beiden Punkte und will das Thesenpapier heute, wie er der JUNGEN FREIHEIT sagt, lediglich als „mögliche Handlungsanleitung“ verstanden wissen.

Daß der Münchner mit großer Mehrheit als Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt wurde, brachte das Faß für viele der jetzt ausgetretenen Mitglieder zum Überlaufen. Mit Stürzenberger beschreite die Freiheit einen Weg zur islamkritischen Ein-Themen-Partei, befürchtet der zurückgetretene bayerische Landeschef Christian Jung, der auf dem Parteitag erfolglos gegen Parteichef René Stadtkewitz angetreten war. „Die Menschen haben mehr als nur ein Problem“, sagte er der JF.

Schon vor dem Parteitag waren die Parteiflügel heftig aneinandergeraten. So forderte der damalige Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Andreas Pokladek, einen „Kampf gegen Rechts“ und wetterte gegen Parteiveranstaltungen auf Burschenschaftshäusern und gemeinsame Erklärungen mit „Nationalkonservativen“. Stadtkewitz sieht die Austrittswelle bisher gelassen. Zwar haben vor allem „gut vernetzte“ Mitglieder die Partei verlassen, eine „CDU 2.0“ sei jedoch verhindert worden. Zudem hätten sich auch viele ehemalige Mitglieder gemeldet, die jetzt wieder eintreten wollten. Während der Parteichef Optimismus verbreitet, schmieden die Ausgetretenen um Jung bereits neue Pläne. Ein Netzwerk sei in Planung, mit dem mittelfristig auch Einfluß auf die Parlamente genommen werden soll. Und eine neue Partei? „Welcher Art dieses Netzwerk sein wird“, sagt Jung, „wird der Weg zeigen.“

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