© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/11-01/12 / 23./30. Dezember 2011

„Geschärfter Extremismusbegriff“
Nordrhein-Westfalen: In Wuppertal wird der Leiter einer Polizeiwache strafversetzt, weil er auch vor Linksextremisten in seinem Revier warnt
Martin Schneider

Wenn selbsternannte „Antifaschisten“ zum „Kampf gegen Rechts“ blasen, droht den Betroffenen eine Rufschädigung oder gar die Vernichtung beruflicher Existenzen. Ein aktuelles Beispiel liefert die Stadt Wuppertal, sonst eher wegen der Schwebebahn und ihres früheren Oberbürgermeisters Johannes Rau bekannt. Der SPD-Politiker regierte bekanntlich nach dem Prinzip „Versöhnen statt spalten“. Doch wenn es um die Bekämpfung tatsächlicher oder auch nur vermeintlich rechtsextremer Umtriebe geht, dann gibt es auch in der nordrhein-westfälischen Großstadt kein Pardon mehr. So teilte Wuppertals Polizeipräsidentin Brigitta Radermacher, die 2009 sogar für die CDU als Kölner Oberbürgermeister-Kandidatin gehandelt wurde, jetzt auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz mit, daß der Leiter der Polizeidienststelle Wuppertal-Vohwinkel, Hauptkommissar Markus Preuß, abberufen werde.

Seit Wochen wurde der Polizei in Vohwinkel vorgeworfen, sie gehe nicht energisch genug gegen eine angebliche „rechte Szene“ in dem Stadtteil vor. Insbesondere der Leiter der Polizei-dienststelle stand im Kreuzfeuer der Kritik. Preuß wurde mit sofortiger Wirkung in den Innendienst versetzt. Mit dem Disziplinarverfahren, das Radermacher zur Klärung der Vorwürfe gegen den Ordnungshüter eingeleitet hatte, habe die Entscheidung aber nichts zu tun, sagte die CDU-Politikerin: „Ich kann aus Fürsorgegründen nicht verantworten, ihn in dieser Position zu lassen.“ Der Schritt sei notwendig gewesen, „um die Wache handlungssicher zu machen und um das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen“, sagte Radermacher.

Der Focus sieht Wuppertal schon als „neue Neonazi-Hochburg“, auch wenn dies noch mit einem Fragezeichen versehen wird. In den vergangenen Tagen sei es auch zu Angriffen gegen Ausländer gekommen, zitiert das Nachrichtenmagazin die Polizeipräsidentin. Erst vor kurzem hätten drei Rechtsradikale einen türkischstämmigen Mann verprügelt. „Wir werden massiv eingreifen, um gefährliche Entwicklungen im Keim zu ersticken“, so Radermacher forsch. Preuß wird konkret vorgeworfen, daß er ein Problem mit Rechtsextremen in Vohwinkel verneint, aber auf die Linksextremisten in dem Stadtteil hingewiesen habe. Wie die linksextremistische „Antifaschistische Initiative Wuppertal“ mitteilte, soll Preuß beim sogenannten Wuppertaler „Picobello-Tag“ – hier geht es um Müllbeseitigung, nicht um die Entfernung extremistischen Unrats – einem grünen Stadtpolitiker gegenüber geäußert haben, daß die Grünen gegen Nazis demonstrierten, obwohl es in Vohwinkel kein Problem mit Rechtsextremisten, sondern mit Linksextremisten gebe. Als die „Antifaschistische Initiative“ am Rande der Sitzung der Bezirksvertretung Vohwinkel davon erfuhr, daß der Dienststellenleiter zwecks Klärung disziplinarischer Vorstöße beurlaubt worden sei, zeigte sie sich „hoch erfreut“: „Wir gönnen Herrn Preuß den Urlaub aus tiefstem Herzen (…) Jetzt geht es in der Zukunft darum, mit vereinten Kräften die Nazis in die Schranken zu weisen.“

Natürlich müsse nun weiter an einem „geschärften Extremismusbegriff bei der Polizei und bei der Politik“ gearbeitet werden. Die Rechts-Links-Gleichsetzung sei unverschämt. Schließlich gebe es auch einen „Extremismus der Mitte“ – „zum Beispiel die Verantwortung der Sarrazins und Möllemänner für Islamfeindschaft, rassistische Asylgesetzgebung und Antisemitismus“. Außerdem gaben die selbsternannten Antifaschisten ihrer Hoffnung Ausdruck, daß die polizeiliche Karriere von Herrn Preuß nun beendet sei.

Pikanterie am Rande: Der so ins Schußfeld geratene Polizeibeamte ist stellvertretender Vorsitzender der Bürgergemeinschaft für Solingen e. V. (BfS), einer lokalen Wählergemeinschaft. Er sitzt in der Wuppertaler Nachbarstadt für die BfS im Rat, ist Vorsitzender des Solinger Schulausschusses und war 2009 sogar als Oberbürgermeister-Kandidat angetreten. Solingens CDU-Vorsitzender Peter Schmiegelow hatte zwischenzeitlich Preuß ausdrücklich in Schutz genommen. Die „Besserwisserei der Grünen“ dürfe nicht zu selektiver Wahrnehmung und noch weniger zu heuchlerischer Petzerei führen. Das, so der CDU-Mann, erinnere „an das Denunziantentum faschistischer und stalinistischer Staaten“. Schmiegelow wörtlich: „Wer den Extremismus kleinkriegen will, sollten nicht den bürgerlichen Anstand verlassen.“

Geholfen hat diese Form der Schützenhilfe nichts. Preuß schiebt Innendienst, die Vorverurteilungsstrategie der Grünen und „Antifaschisten“, die sich augenscheinlich des öfteren Schlägereien mit Rechtsextremisten liefern, ist aufgegangen. CDU-Frau Radermacher kündigte unterdessen an, sie werde den Kampf gegen Rechts nun verstärken. Dafür habe sie bereits eine Sonderkommission eingesetzt, der Staatsschutz sei zudem personell aufgestockt worden. Alle Wuppertaler Polizeikräfte sollen nun für „den Kampf gegen Rechtsradikalismus geschult“ werden. Und da es so gut paßte, stellte die Wuppertaler Polizeipräsidentin anläßlich der eilig einberufenen Pressekonferenz das Projekt „Hellwach gegen Rechtsextremismus“ vor.

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