© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/11-01/12 / 23./30. Dezember 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Mangelndes Interesse
Henning Hoffgaard

Nein“, beruhigt eine freundlich klingende Stimme am Telefon, „Karten brauchen Sie für diese Veranstaltung sicher nicht zu reservieren. Da sind ja noch mehr als die Hälfte nicht verkauft.“ Das Interesse am 43. Akademie-Gespräch der Akademie der Künste in Berlin zum Thema „Was tun gegen Rechts? Demokratie verteidigen!“ ist verhalten. Am Ende versammeln sich etwa 40 bis 50 Zuhörer.

Die mangelnde Resonanz stößt den Podiumsgästen übel auf. Allen voran dem früheren Regierungssprecher von Gerhard Schröder, Uwe-Karsten Heye, der jetzt als Vorstandsvorsitzender des Vereins „Gesicht zeigen“ durch die Republik tingelt, und dem Gründer des Aussteigerprogramms für Rechtsextremisten „Exit“, Bernd Wagner. „Was ist los in Deutschland?“ schimpft Heye mit Blick auf Diskussion um den Rechtsextremismus in Deutschland und das langsam anlaufende zweite NPD-Verbotsverfahren.

Worum es Wagner und Heye wirklich geht, wird allerdings schnell deutlich: „Wir müssen 50 Prozent unserer Projekte selbst bezahlen“, beklagt Heye mit perfekt einstudierter Körpersprache. Immer wieder beugt er sich langsam aus seinem Sessel, gestikuliert mahnend und fixiert das Publikum. Wagner dagegen ärgert sich, daß zwar internationale Organisationen an ihn und seinen Verein herangetreten seien, die Bundesregierung jedoch nicht.

Wohin so eine Entwicklung letztlich führen könne, will die ungarische Journalistin Magdalena Marsovszky am Beispiel ihres Heimatlandes zeigen. Die „völkische Regierung“ in Budapest, warnt die „Expertin für Ethnizität“, habe die Pressefreiheit mehr oder weniger abgeschafft und drangsaliere nun die Opposition. Mit verwackelten Schwarzweißbildern versucht sie zu beweisen, daß die konservative ungarische Regierung „okkulte und schamanistische Bewegungen“ stärkt. Daß die Leugnung von kommunistischen Verbrechen genauso verfolgt wird wie die Leugnung des Holocaust, ist ihr ein besonderer Dorn im Auge. Damit werde die Shoa relativiert, meint die Journalistin, um anschließend die diplomatischen Kontakte zwischen Ungarn und dem Iran zu problematisieren. Alles in allem, fordert sie, müsse jetzt die Europäische Union eingreifen. Die Zuhörer wollen allerdings lieber über Deutschland sprechen.

Im Publikum sitzt auch Irmela Mensah-Schramm. Die ehemalige Heilpädagogin hat es in den vergangenen Jahren mit dem massenhaften Entfernen von rechtsextremistischen Aufklebern zu einiger Berühmtheit gebracht. Daß dabei schon mal eine Fensterscheibe zerstört wird, kümmert sie wenig. Larmoyant beschwert sie sich über die Kriminalisierung ihres Engagements. Besonders die Medien ignorierten ihre Ausstellung beharrlich, meint sie aufgeregt. Heye nickt anerkennend und hat schon eine Lösung parat. Die Demokratieklausel, die Initiativen gegen Rechtsextremisten und ihre Partner dazu verpflichtet, sich zum Grundgesetz zu bekennen, müsse schleunigst abgeschafft werden. „Gesinnungsschnüffelei“ dürfe es nicht geben, fordert er.

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