© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/11 / 16. Dezember 2011

Glaszauber
Was wäre ein Christbaum ohne die Handwerkskunst aus der thüringischen Glasbläserstadt Lauscha?
Joachim Feyerabend

Der Würzburger Augenarzt Heinrich Adelmann machte 1832 erstmals auf die Verwendung von Glas bei der Herstellung von Augenprothesen aufmerksam. Er hob dabei die kleine Glashütte Lauscha im südlichen Thüringer Wald hervor, in der damals solche Augen für Puppen und Stofftiere hergestellt wurden. Herzog Johann Casimir zu Sachsen-Coburg hatte den Glasmachern Hans Greiner und Christoph Müller 1597 die Konzession zum Betrieb einer „Dorfglashütte“ erteilt. Um die Hütte herum entwickelte sich ein beschauliches Örtchen, das heute 3.900 Einwohner zählt.

Hier begann der Thüringer Begründer der sogenannten Augenprothetik, Ludwig Müller-Uri, schon bald mit der Fertigung künstlicher Augen für Menschen, die durch Unfall oder Krieg das Sehorgan verloren hatten. Weltberühmt wurde die Glasbläserstadt allerdings als „Geburtsstätte des gläsernen Christbaumschmuckes“, wie sich die Stadt auf ihrer Internetseite rühmt.

Im 19. Jahrhundert gründete Elias Greiner – der Erfinder „Künstlicher Achat- und Edelsteinkugeln“ (Glasmurmeln) – eine Farbglashütte. Die 1867 errichtete Lau­schaer Gasanstalt schuf die Basis für die Heimproduktion von Zier- und Nutzglas. Eine ständig verfügbare Gasflamme machte das Glas vielfältiger, dünnwandiger und damit formbarer. In der Folge entstanden eine Reihe von Heimwerkstätten und Familienunternehmen.

Das Gewerbe- und Handwerkverzeichnis der Stadt Lauscha und der angegliederten Rennsteiggemeinde Ernstthal listet allein zwölf Glasbläser beziehungsweise Glasläden auf. Die Glasbläserei von Jürgen Bäz bietet beispielsweise ein breites Sortiment an, das von Weihnachts- und Osterschmuck über Windlichtbecher, Öllampen, Glasnagelfeilen, Glastieren, Glasfederhaltern und Vasen bis hin zu Flaschenteufel sowie Fruchtspießer reicht. Als Produktneuheiten 2011 preist Bäz auf seiner Internetplattform (www.lauschaer-glasartikel.de) gläserne Orchideenstäbe und Öllampen mit handgemalten Wintermotiven an.

Seit 20 Jahren behauptet sich auch der Glasbläser Michael Haberland am Markt. „Es ist unser Anliegen, das Weihnachtsfest durch den altdeutschen von Hand hergestellten Christbaumschmuck zu etwas ganz Besonderem zu machen“, lautet die Firmenphilosophie. Sein Christbaumschmuck entstehe in traditioneller Weise, hauptsächlich mit noch vorhandenen Mundblasformen des Großvaters und Urgroßvaters.

Michael Haberland trat noch vor der Wende 1989 in die Fußtapfen seiner Vorfahren und erlernte an der Glasfachschule Lauscha das Traditionshandwerk. In seinem „Onlinelädchen“ (www.haberland-baumschmuck.de) finden sich auch die bekannten gläsernen Vögel, deren Glasschwanz mit Hilfe eines Spinnrades gezogen wird. Der zirka zehn Zentimeter große Piepmatz mit blauen Flügeln und rotem Schnabel kostet 7,90 Euro.

Als Vorläufer des heutigen Tannenbaumschmucks gelten Früchte und Nüsse aus Glas. Franklin Winfield Woolworth, Gründer der gleichnamigen amerikanischen Kaufhauskette, entdeckte um 1880 die Lauschaer Kunstwerke und machte sie zum US-Importschlager. Kultstatus erlangte zum Beispiel das mundgeblasene Elchglas, seitdem die Hauptdarsteller in der US-Filmkomödie „Schöne Bescherung“ (1989) daraus Eierpunsch tranken. Bei Ebay werden historische Stücke aus Lauscha inzwischen zu astronomischen Preisen gehandelt. Mehr über die Geschichte der Glasmacherkunst erfährt man in der Lauschaer Farbglashütte.

www.farbglashuette.de

Foto: Eine Zierde für jeden Tannenbaum: Der Familienunternehmer Michael Haberland versteht sich auf formgeblasenen Christbaumschmuck

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