© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/11 / 16. Dezember 2011

Umwelt
Falsche Etiketten
Volker Kempf

Ob eine Nudelsoße mit Tomaten vom Biobauernhof oder solchen aus konventioneller Landwirtschaft hergestellt wird, sieht ihr niemand an. Dieses Problem hat eine Bande skrupelloser Geschäftsleute in Italien ausgenutzt, um für herkömmliche Lebensmittel die höheren Bioproduktpreise zu kassieren. Gefälschte Papiere machten das möglich. Das kommt leider nicht nur im Land von Camorra und ’Ndrangheta vor, aber das Ausmaß ist dennoch überaschend. Um 220 Millionen Euro Umsatz für etwa 700.000 Tonnen Lebensmittel soll es gehen. Dazu brauchte es erstens mehrere Jahre Zeit. Zweitens war ein ganzes Netzwerk aus Großhändlern in Italien, Österreich, Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Frankreich, Belgien und Ungarn sowie in der Schweiz nötig. Die Zulieferer kamen neben Italien angeblich auch aus dem bakschisch-erfahrenen Rumänien.

Wie konnte es so weit kommen? Sind die freizügigen EU-Strukturen dafür ausschlaggebend gewesen? Daß auch die Schweiz betroffen ist, spricht nicht gegen diese These – die Eidgenossen sind über bilaterale Verträge eingebunden. Auch in Deutschland wurden schon Eier zum Skandal, weil sie über Jahre hinweg falsch als „Bio“ oder „Freiland“ gekennzeichnet wurden. Ein Ei gleicht schließlich dem anderen, das machte Betrug auch hier so verführerisch. Aber ein Blick in die Jahresberichte von Transparency International (TI) zeigt, daß die zum Unterlaufen von Kontrollen so wichtige Korruption in den südlichen EU-Mitgliedstaaten in der Tat besonders verbreitet ist. Italien liegt in der TI-Korruptionsskala auf Platz 67 – zwischen Ruanda und Georgien. Kroatien, das 2013 als 28. Mitglied in die EU aufgenommen wird, liegt übrigens auf Rang 62 hinter Tunesien – und damit immerhin zehn Ränge vor den 2007 beigetretenen Rumänien und Bulgarien. Für die wachsende Biomarktbranche ist der aktuelle Lebensmittelskandal ein Dämpfer – doch auch im konventionellen Bereich tummeln sich ungestraft zahlreiche „Essensfälscher“, wie die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch seit Jahren beklagt.

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