© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/11 / 16. Dezember 2011

Billigtarife waren ein Flop
Gesundheitspolitik: Die Zukunftsaussichten der privaten Krankenversicherungen verdüstern sich / Streit um Provisionen für Versicherungsvermittler
Jens Jessen

Die privaten Krankenversicherungen (PKV) in Deutschland stehen unter Druck. Zeitweise senden sie Signale aus, die den Schluß zulassen, daß sie ihrem Gesundheitsgeschäft in Deutschland untreu werden wollen. Patienten und Behandler nehmen zudem immer weniger Rücksicht auf die finanzielle Situation einzelner Kassen.

So rechnen die Privatärzte rund 80 Prozent ihrer Leistungen derzeit zum höchsten Gebührensatz für ärztliche Leistungen, dem 2,3fachen, ab. Für technische Leistungen wird das 1,8fache berechnet. Der Gesetzgeber sollte die überholte Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vollständig erneuern und mit Festpreisen versehen, so daß sie auch von Patienten verstanden wird.

Kürzlich hat der Bundestag immerhin eine kleine Bremse für die rasant gestiegenen PKV-Beiträge beschlossen: Die Provision wird von 15 auf maximal neun PKV-Monatsbeiträge gesenkt. Die geringeren Vertriebskosten greifen ab April kommenden Jahres – wenn der Bundesverband der Deutschen Versicherungskaufleute (BVK) mit einer Klage gegen die Provisionsdeckelung nicht durchkommt: Das Gesetz sei „ein Eingriff in meine unternehmerische Freiheit“, argumentiert BVK-Präsident Michael Heinz. Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetz die teilweise exzessiven Vermittlerhonorare unterbinden. Aber nicht nur die Obergrenze wird neu justiert, auch muß künftig ein Teil der Provision zurückbezahlt werden, wenn ein Versicherter innerhalb von fünf Jahren kündigt. Damit soll vermieden werden, daß Makler ihren Kunden zu einem baldigen Versicherungswechsel raten, um so erneut zu verdienen.

Fraglich ist, welche Auswirkungen diese Änderungen auf die Versicherer haben werden. Verbraucherschützer fordern sogar, nur laufende Provisionen zu zahlen und die Stornohaftung auf zehn Jahre zu erhöhen. Der Gesetzgeber hat andererseits 2009 dafür gesorgt, daß die PKV zahlungsunfähigen Versicherten nicht sofort kündigen darf. Die Zahlungsausfälle belaufen sich inzwischen auf 554 Millionen Euro.

Auch die bis vor kurzem noch stark beworbenen PKV-Billigtarife waren ein Flop. Viele dieser Neukunden können ihre Beiträge nicht zahlen, da die Einsteigertarife um bis zu 23 Prozent erhöht wurden. Auch die Ungleichbehandlung der PKV-Versicherten läßt den Zustrom neuer Mitglieder versanden: Die steigenden Beitragssätze der PKV – in denen eine Rückstellung enthalten ist, die altersbedingte Beitragssteigerungen vermeiden soll – werden weitgehend von den Versicherten allein geschultert, während die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und ihre Mitglieder vom Staat mit mehr als 15 Milliarden Euro (2010) subventioniert wurden.

Während Kassenpatienten gut beraten sind, sich in die Hände eines Vertragsarztes zu begeben, weil sie sonst alle Behandlungskosten übernehmen müssen, unterliegen Privatversicherte derartigen Beschränkungen nicht. Allerdings ist inzwischen auch die PKV massiv darauf aus, die Behandlungskosten zu drücken. Sie bieten ihren Kunden vermehrt Haus- oder Primärarztmodelle an: Der Patient zahlt niedrigere Prämien und verpflichtet sich im Gegenzug dazu, vor der Konsultation eines Spezialisten zunächst einen Primärarzt aufzusuchen. Verstößt er gegen die Vereinbarung, kann er auf einem erheblichen Teil der Behandlungskosten sitzenbleiben.

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