© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/11 / 16. Dezember 2011

OECD-Bericht: Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer
Nur Bildung hilft weiter
Markus Brandstetter

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fördert Demokratie und Marktwirtschaft. Man residiert in Paris im Château de la Muette, wo einst Ludwig XVI. und Marie Antoinette die Tage nach der Hochzeit verbrachten. Die OECD produziert hauptsächlich Papier, und was da draufsteht, kann ganz schön kontrovers sein, denken wir nur an die Ergebnisse der Pisa-Studien.

Im Jahr 2008 hatte die OECD behauptet, daß die Unterschiede zwischen Arm und Reich in den Mitgliedsstaaten jedes Jahr größer würden. Nun wurde die Studie (Divided We Stand: Why Inequality Keeps Rising) aktualisiert – mit dem Ergebnis, daß die Ungleichheit bei Löhnen und Gehältern weiter zunimmt und den höchsten Stand seit 30 Jahren erreicht haben soll. Im OECD-Durchschnitt verfügen die reichsten zehn Prozent eines Mitgliedsstaates über neunmal soviel Einkommen wie die ärmsten zehn Prozent.

Dieser Durchschnitt sagt allerdings nicht viel aus, da die Unterschiede zwischen den OECD-Ländern gewaltig sind. Da gibt es nämlich auf der einen Seite Länder wie Chile und Mexiko, in denen das Verhältnis der reichsten zehn Prozent zu den ärmsten zehn Prozent bei 25 zu 1 liegt. Es gibt aber auch Länder wie Schweden, Finnland, Norwegen, Belgien oder die Tschechei, in denen das Verhältnis bei 5 zu 1 liegt. In Deutschland betrug dieses Verhältnis 1995 noch 6 zu 1; heute liegt es bei 8 zu 1.

In absoluten Zahlen bedeutet das, daß das verfügbare Durchschnittseinkommen der obersten zehn Prozent in Deutschland im Moment bei etwa 60.000 Euro im Jahr liegt, während die untersten zehn Prozent im Jahr 8.000 Euro zum Ausgeben haben. Das klingt so lange schrecklich ungerecht, bis wir uns daran erinnern, daß Steuern und Transfereinkommen (Hartz IV, Grundsicherung, Hilfe zum Lebensunterhalt, Ausbildungshilfen, Eltern-, Kinder- oder Wohngeld) diese Ungleichheit um 30 Prozent reduzieren, was auch die OECD einräumt.

Die Gründe für das Auseinanderdriften von Arm und Reich sind bekannt: Es gibt immer mehr Einpersonenhaushalte, immer mehr Menschen arbeiten Teilzeit, und geringer Qualifizierte verdienen spürbar weniger als früher. Wer heute arbeitet, ist in der Regel entweder hochqualifiziert und verdient meist gut – oder er ist es nicht und verdient häufig entsprechend wenig. Die Botschaft ist klar: Wer zukünftig in Wohlstand und Gesundheit leben will, für den ist die beste Ausbildung gerade gut genug.

Was die OECD-Studie auch unterschlägt: In Deutschland zahlt ein Prozent der Bevölkerung etwa ein Viertel der gesamten Lohn- und Einkommensteuer. Damit finanzieren die Reichen nicht nur überproportional die Zahlungen an die Armen, sondern mittelbar auch das Budget der OECD-Bürokraten, damit diese alle Jahre wieder beweisen können, wie ungerecht es auf der Welt zugeht.

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