© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/11 / 16. Dezember 2011

Christian Wulff und der Privatkredit
Der kleine Präsident
Thorsten Hinz

Manchmal gibt es Grund, mit Neid auf das Ausland zu blicken: zum Beispiel wegen des Niveaus der Politikerskandale. Als vor Jahren der ehemalige französische Außenminister Roland Dumas wegen Korruption vor Gericht stand, ging es um wertvollen Schmuck und eine Luxuswohnung in Paris – für die Geliebte!

Bundespräsident Christian Wulff war weniger anspruchsvoll. Er wollte sich mit ein paar Prozent Zinsersparnis beim Bau des neuen Einfamilienhauses begnügen. Nebenbei: Wulffs Haus atmet perfekt jene bundesdeutsche Wüstenrot- und Bimsblockästhetik, die der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich als die Entbindung vom bürgerlichen Geist der Stadt verdammte.

Natürlich bedeutet der 500.000-Euro-Privatkredit, den Wulff von einer Unternehmergattin annahm, keine Korruption. Schmierig wirkt er trotzdem. Denn als Ministerpräsident mit Pensionsanspruch verfügte Wulff über beste Bonität und hätte den Kredit von jeder Bank bekommen, wenn auch zu weniger günstigen Konditionen. Solche Fehlgriffe passieren, wenn Politik vor allem als Möglichkeit zum sozialen Aufstieg begriffen wird.

Wenn unsere Politiker demnächst wieder das große Wort führen, stellen wir sie uns am besten ganz klein vor. Meistens liegen wir damit richtig.

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