© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/11 / 09. Dezember 2011

Die V-Frage
„Döner-Morde“: BKA startet öffentliche Fahndung
(krk)

Die Gerüchte über eine angebliche Zusammenarbeit von Beate Zschäpe mit staatlichen Behörden halten sich hartnäckig. Trotz aller offiziellen Beteuerungen, es habe zu keiner Zeit eine wie auch immer geartete Kooperation mit der Komplizin von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gegeben, tauchen immer neue Informationen auf, die das Gegenteil nahelegen.

Vergangene Woche berichtete die Süddeutsche Zeitung über einen Brief, der dem Vater von Mundlos 1998 anonym zugeschickt worden sein soll, nachdem das Trio in den Untergrund gegangen war. In diesem heißt es, Zschäpe habe in den neunziger Jahren mit den Behörden kooperiert, um für einen Verwandten eine Strafmilderung zu erwirken. Mitglieder des Thüringer Landtags sollen bestätigt haben, daß es einen Aktenvermerk über das Schreiben gebe. Bereits zuvor hatte die Leipziger Volkszeitung geschrieben, es gebe Hinweise, daß Zschäpe zwischen 1998 und 2001 staatlicherseits „gedeckt“ gewesen sei, weil sie Informationen über die rechtsextreme Szene geliefert habe (JF 49/11). Der Thüringer Verfassungsschutz dementierte den Artikel.

Die Bild am Sonntag vermeldete, Zschäpe sei 2008 auf einer Demonstration von Rechtsextremisten in Leipzig fotografiert worden. Zwei Tage später sei nachts in die Wohnung des Fotografen eingebrochen und der Datenträger mit den Fotos zielgerichtet entwendet worden. Laut dem Focus soll zudem im März 1999 ein Mitarbeiter des Thüringer Verfassungsschutzes beim damaligen Anwalt von Böhnhardt mit einem Angebot für die drei untergetauchten Bombenbauer vorstellig geworden sein. Sollten sie sich freiwillig stellen, werde man sie lediglich wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz belangen, nicht aber wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Der Handel soll aber am Widerstand des damaligen Geraer Oberstaatsanwalts Arndt Peter Koeppen gescheitert sein.

Ungeachtet der täglich neuen Berichte zu dem Fall entschlossen sich BKA und Bundesanwaltschaft vergangene Woche zu einer Öffentlichkeitsfahndung. Darin bitten sie die Bevölkerung um „Mithilfe bei der weiteren Aufklärung einer Serie von Schwerverbrechen“, die „der rechtsterroristisch ausgerichteten Gruppierung“ zur Last gelegt werden. In einer Pressekonferenz gaben BKA-Chef Jörg Ziercke und Generalbundesanwalt Harald Range zudem bekannt, daß die Ermittler bislang 2.500 Beweisstücke sicherstellen konnten, davon 1.800 in den Trümmern der Zwickauer Wohnung und 500 in dem ausgebrannten Wohnmobil, in dem sich Mundlos und Böhnhardt umgebracht haben sollen.

Unterdessen überprüfen die Ermittler, ob das Trio auch für einen Sprengstoffanschlag auf die Wehrmachtaustellung 1999 in Saarbrücken verantwortlich ist. Laut dem Saarbrücker Generalstaatsanwalt Ralf-Dieter Sahm gebe es eine Spur, die zu der Gruppe führen könnte. (krk)

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