© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/11 / 09. Dezember 2011

„Der Widerstand gegen den Euro wächst“
Die Schäffler-Initiative ist im Endspurt. Unterstützt wird der FDP-Rebell von einem Zusammenschluß bürgerlicher Kreise um Rechtsanwältin Beatrix von Storch, Herzogin von Oldenburg, die versucht, den Kampf gegen die Euro-Rettungspolitik zivilgesellschaftlich zu organisieren.
Moritz Schwarz

Frau von Storch, die Mitgliederbefragung in der FDP endet in wenigen Tagen. Wird es Frank Schäffler gelingen, die Mehrheit zu erringen?

Storch: Ich bin sehr zuversichtlich.

Warum?

Storch: Schon weil – je nach Umfrage – zwischen 66 und 76 Prozent der Deutschen gegen eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms sind. Es wäre also nachgerade erstaunlich, wenn das ausgerechnet an der FDP-Basis anders sein sollte, wo doch Liberale gegenüber Verschuldung und Zentralismus, der logischen Folge einer Ausweitung der Euro-„Rettung“, noch skeptischer eingestellt sind als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Die „FAZ“ am Sonntag meldet, bis zum Wochenende hätten erst etwa 13.500 der 65.000 FDP-Mitglieder abgestimmt. Bis 13. Dezember müssen aber rund 21.500 Stimmen abgegeben werden, wenn das Quorum erreicht werden soll.

Storch: Wenn bis dato immerhin mehr als fünfzig Prozent des Quorums erreicht worden sind, ist das gar nicht so schlecht angesichts der Tatsache, daß das gegen den Parteivorstand, gegen die meisten Auftritte von FDP-Politikern in den Medien, gegen große Zeitungen, gegen den Einsatz der FDP-Granden Genscher und Kinkel und gegen die Kommunikations-Infrastruktur der Partei gelungen ist. Das wahrlich Letzte zum Beispiel ist ein FDP-Video, in dem in rascher Folge die Zeit vom Ersten über den Zweiten Weltkrieg, dem Mauerfall 1989 bis hin zum Euro gezeigt wird – allerdings im Rückwärtsgang: Erst richtet sich die Mauer wieder auf, dann sieht man wieder Bomben über Europa, schließlich endet es im Grabenkrieg des Ersten Weltkriegs. Botschaft: Das droht, wenn der Antrag der Parteiführung scheitert. Anstatt sich als neutraler Organisator dieses Willensbildungsprozesses innerhalb der Partei zu verhalten, versucht der Bundesvorstand massiv, den Entscheid zu beeinflussen und mißbraucht dazu ungeniert die interne Kommunikation der Partei.

FDP-Chef Rösler gab sich auf dem Parteitag in Frankfurt siegessicher: „Ich rechne damit, daß wir gewinnen.“

Storch: Ich kann nur hoffen, die FDP-Mitglieder erkennen die historische Dimension ihrer Chance: Nämlich, daß sie in einer wirklichen Schicksalsfrage eine Meinung politisch artikulieren können, die vom Volk zu zwei Dritteln, wenn nicht zu drei Vierteln geteilt wird, die aber sonst in der Politik kaum zum Ausdruck kommt.

Es mag sein, daß die FDP-Mitglieder mehrheitlich gegen eine Ausweitung der Euro-Rettung sind. Aber wird die Parteiräson nicht dazu führen, daß man dennoch dem Bundesvorstand folgt, der droht, sonst werde die Partei Schaden nehmen?

Storch: Frau Merkel hat bereits gesagt, sie wird die Koalition mit der FDP nicht beenden. Dieser „Schaden“ droht also nicht. Wenn es aber der FDP gelingt, als einzige Partei – wie gesagt – das zum Ausdruck zu bringen, was die Mehrheit des Volkes in dieser Sache denkt, dann ist das wohl eher eine Chance für die Partei, als eine Gefahr. Zudem – und darüber sollte sich jeder im klaren sein – geht es hier um weit mehr als um die Rettung des Euro. Es geht darum, ob wir uns künftig in Richtung EU-Bundesstaat mit Planwirtschaft und Zentralkommissaren mit Durchgriffsrechten auf unsere nationalen Haushalte bewegen. Es geht um die Frage, Fortbestand der europäischen Staaten als kooperierende, aber souveräne Demokratien oder Abschaffung der nationalen Souveränität und Beendigung der Selbstbestimmung. Die Euro-Rettung ist mehr als eine einfache Sachfrage, sie ist der Scheideweg, weil sie die Grundlage für unsere gesamte künftige politische Entwicklung bestimmt. Und das scheint auf den bis jetzt etwa zweihundert Veranstaltungen, die in den FDP-Verbänden zum Mitgliederentscheid durchgeführt worden sind, auch verstanden worden zu sein, denn mehrheitlich war dort die Stimmung eindeutig gegen die Schuldenunion und also für den sogenannten „Schäffler-Antrag“, den Antrag „A“.

Die „Zivile Koalition“ ist keine FDP-Organisation. Wie können Sie Einfluß nehmen, und was kann der Bürger tun, der nicht FDP-Mitglied ist?

Storch: Die „Zivile Koalition“ hat schon vor der Schäffler-Initiative den Widerstand der Bürger gegen die Euro-Rettungspolitik aller Parteien organisiert. Wir haben – auch über unsere Internet- und Blog-Zeitung „FreieWelt.net“ – die Bürger darüber aufgeklärt, um was es bei der sogenannten Euro-Rettung eigentlich geht. Die Medien sprechen von der Stabilitätsunion und Stabilitätsanleihen, als wollten all jene, die die Schuldenunion ablehnen, keine stabilen Verhältnisse. Wir sprechen nicht von „Europa“, das doch weit größer ist als die 27 EU-Mitglieder oder die nur 17 Euro-Mitgliedsländer. Der Euro ist nicht Europa. Und die Mär, Deutschland profitiere am meisten vom Euro, ist bei uns korrigiert: Wir sind nicht nur Weltmeister im Export von Waren. Wir lieferten auch gleich das Kapital dazu mit, und das bekommen wir jetzt nicht zurück. Die Kaufkraft für den deutschen Bürger ist über den Euro gesunken, nicht gestiegen. Was kann man tun? Wir können als „Zivile Koalition“, gemeinsam mit den Bürgern, Einfluß auf unsere Abgeordneten nehmen: Mit drei Klicks auf unserer Seite www.abgeordneten-check.de kann sich jeder beteiligen und eine Protestnachricht an seinen Abgeordneten schicken. So sind schon über 330.000 Protestmails bei den Abgeordneten eingegangen. Deren Antworten werden veröffentlicht. Das erzeugt großen Druck und treibt die Debatte weiter voran.

Im September haben Sie Frank Schäffler – und sein Pendant in der CDU/CSU-Fraktion Klaus-Peter Willsch – zu einer Podiumsveranstaltung in Berlin eingeladen, ebenso wie Hans-Olaf Henkel, der öffentlich empfiehlt, Ihre Initiative zu unterstützen.

Storch: Ja, und Handelsblatt, Wirtschaftswoche, Welt, Spiegel Online – alle haben inzwischen über unsere Kampagne berichtet. Was uns fehlt, ist der Durchbruch bei den Öffentlich-Rechtlichen.

Gibt es denn auch Beispiele für Erfolge?

Storch: Der Vertrag über den endgültigen, dauerhaften Rettungsschirm ESM, um den es ja beim FDP-Mitgliederentscheid geht, ist im Juni von uns im Internet publiziert worden und wurde so überhaupt erst öffentlich. Wer nicht weiß, was dort steht, der hat nicht einmal eine Ahnung, wohin wir uns entwickeln sollen. Wir haben dann ein Video zum ESM-Vertrag produziert und ins Netz gestellt, das bis jetzt über 350.000mal angesehen worden ist. Dieses Video haben der Spiegel und die Welt aufgegriffen, letztere wiederum hat die Bundestagsparteien aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen. Erst dadurch ist die öffentliche Debatte entstanden – ein maßgeblicher Beitrag, um überhaupt erst mal in einer breiteren Öffentlichkeit ein Bewußtsein dafür zu schaffen, daß der ESM-Vertrag eigentlich kein Euro-Rettungsmechanismus ist, sondern ein Systemwechsel weg von unseren freiheitlichen, nationalen Demokratien in Europa hin zu einer supranationalen, planungsgelenkten EU-Zentralgewalt. Wolfgang Schäuble sagt, die „Idee vom Regelungsmonopol der Nationalstaaten“ gehöre zur „alten Ordnung“, die in Europa längst „ad absurdum“ geführt worden sei. Die „europäische Governance“ sei der „zukunftsweisendere Ansatz“ als der „Rückfall in die Regelungsmonopolstellung des klassischen Nationalstaates vergangener Jahrhunderte“. Und in weniger als 24 Monaten werde das europäische Regelwerk geändert und die Fiskalunion für die Euro-Zone geschaffen. – Wir wollen genau das verhindern.

Ihre jüngste Aktion ist ein offener Brief an alle für den Haushalt verantwortlichen Abgeordneten im Bundestag und die Generalsekretäre der Parteien.

Storch: Wir wollten von diesen wissen, wo denn die Gelder für den inzwischen gehebelten ESFS – das ist der vorläufige Euro-Rettungsschirm – herkommen sollen, wenn denn die Bürgschaften fällig werden. Eigentlich eine naheliegende Frage, die den Politikern längst ausgiebig von den Medien hätte gestellt werden müssen – aber weitgehend Fehlanzeige! Dabei steht Deutschland mit 470 Milliarden Euro in der Verantwortung, da muß es doch einen Plan geben: Wie machen wir das im Fall des Falles? Denn die Frage ist: Werden dann die Steuern erhöht? Oder die Neuverschuldung? Oder wird das Geld durch Einsparung aufgebracht? Und wenn ja, wo? Wird Hartz IV gestrichen? Die Bundeswehr aufgelöst? Oder wird bei Bildung, Gesundheit, Renten oder Infrastruktur gekürzt?

Die Antworten waren?

Storch: Entlarvend! Wir hatten im Anschreiben ausdrücklich darum gebeten – angesichts der bisherigen Entwicklung der Euro-„Rettung“ –, uns die Antwort zu ersparen, die Bürgschaften würden gar nicht erst fällig werden. Und doch haben viele genau das gesagt. Immerhin, FDP-Generalsekretär Lindner hat zugegeben, dann eben die Neuverschuldung drastisch erhöhen zu wollen. Fazit: Die Politik hat kein Konzept.

Finanzminister Schäuble beruhigt: „Na, da müßte aber wirklich alles schiefgehen.“

Storch: Wir haben bereits bei Griechenland, Portugal und Irland die inverse Zinsentwicklung erlebt: Wenn die Zinsen für kurzfristige Staatsanleihen über den Zinsen für langfristige Staatsanleihen liegen, wenn es also für einen Staat teurer wird, sich kurzfristig Geld zu leihen als langfristig, dann ist das der Moment, wo der Staat kippt. Im Fall von Griechenland, Portugal und Irland hat es jeweils etwa noch zwei Wochen ab Erreichen dieses Punkts gedauert, bis sie unter den Rettungsschirm schlüpften. Und nun ist Italien genau an dieser Zinsschwelle.

Was passiert, wenn nun der Schäffler-Antrag den Mitgliederentscheid gewinnt?

Storch: Dann hat die Parteiführung ein kleines Imageproblem.

Hans-Olaf Henkel meint, in diesem Fall müsse der Parteivorstand zurücktreten.

Storch: Wie diese Parteiführung dann sonst aus dem 1,8 Prozent-Tal herauskommen will, wäre mir auch schleierhaft. Aber der „Zivilen Koalition“ geht es nicht um Personalfragen, sondern um die richtige Politik.

Auch ein Erfolg des Mitgliederentscheids kann also eine Fortsetzung der Euro-Rettungspolitik nicht verhindern?

Storch: Es würde von ihm in jedem Fall ein entscheidendes Signal ausgehen, denn zum ersten Mal wäre das Volk – zumindest ein Teil davon – gefragt worden und hätte „Nein“ gesagt. Das wird seine Wirkung mittelfristig entfalten, zumal sich die Situation um den Euro jeden Tag zuspitzt.

Was, wenn Herr Schäffler scheitert?

Storch: Dann wäre die Mehrheit der FDP-Basis nicht repräsentativ für die Mehrheit im Volk. Dann hätte nicht nur die Parteispitze, sondern die ganze Partei offenbar ein Problem.

Der politische Widerstand wäre damit allerdings am Ende.

Storch: Auf gar keinen Fall. Denn der Widerstand in der Bevölkerung existiert nicht nur, er wächst. Es setzt sich bei immer mehr Bürgern die Erkenntnis durch, daß die Euro-Rettung einfach nicht zu den gewünschten Resultaten führt. Alles, was bisher verabschiedet wurde, hat sich innerhalb weniger Tage als nicht wirksam erwiesen.

Was muß passieren?

Storch: Es ist unsinnig, Staaten zu „retten“, um Banken zu stabilisieren. Wir sollten – wenn denn schon erforderlich – direkt die Banken „retten“, und zwar jedes Land seine Banken, und dort eben nicht das Eigenkapital der Aktionäre, sondern nur die Spareinlagen der Bürger. Dann müssen die Defizite der Pleitestaaten reduziert werden. Entweder werden die also auf einen Schlag wettbewerbsfähig oder sie treten aus dem Euro aus und werten ab, verbunden mit einem Schuldenschnitt. Danach können wir helfen. Es gibt Alternativen, und die kommen auch gänzlich ohne EU-Zentralstaat und ohne Abschaffung von Demokratie und nationaler Souveränität aus. Das ist unser Weg, und wir als „Zivile Koalition“ rufen die Bürger auf, mit uns zu kämpfen! Wir stehen am Scheideweg, in einem historischen Moment. Ich weiß nicht, wessen Interessen die Spitzenpolitiker vertreten, aber eines weiß ich sicher: es sind nicht die der Bürger.

 

Beatrix von Storch die Berliner Rechtsanwältin ist Vorstand und Sprecherin der „Zivilen Koalition“ (Logo rechts). Die Bürger-initiative streitet für politische Reformen auf Grundlage bürgerlich, christlich und liberal geprägter Vorstellungen, etwa für eine familienorientierte Sozialpolitik, den Abbau der Staatsverschuldung, die Vereinfachung unseres Steuersystems oder die Reorganisation unseres Bildungswesens. Durch die Euro-Krise ist der Kampf gegen die ausufernde Rettungspolitik der etablierten Parteien inzwischen zum Themenschwerpunkt der 2006 gegründeten „Zivilen Koalition“ geworden. Eng verbunden mit dieser ist auch die Internet- und Blog-Zeitung „FreieWelt.net“ sowie die Netzseite „Abgeordneten-Check“. Geboren wurde Beatrix von Storch 1971 in Lübeck als Herzogin von Oldenburg. Sie ist die Urenkelin des letzten regierenden Großherzogs von Oldenburg.

www.zivilekoalition.de 

www.abgeordneten-check.de

Foto: Bürger gegen die Euro-Rettungspolitik: „Es geht um den Fortbestand der europäischen Staaten als souveräne Demokratien. Das ist mehr als eine Sachfrage. Das ist ein Scheideweg.“

 

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