© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Frankreich und der RAF-Terror: Profilierung gegen den autoritären Nachbarn
Eingespielte Empörungsmaschinerie
(ob)

Paris in den 1970ern erweckte bei Besuchern oft den Eindruck, als stünde der Einmarsch der deutschen Wehrmacht wieder kurz bevor. Denn mit panischer Hysterie reagierte eine linksradikal konditionierte Öffentlichkeit auf die vom RAF-Terror gezeichneten Verhältnisse in der Bonner Republik. Zwischen dem „Solidaritätsbesuch“ des senilen Philosophen Jean-Paul Sartre bei Andreas Baader und Genossen im Stammheimer Gefängnis (1974), dem sich eine vermeintliche Isolationsfolter aus dem kargen Besucherzimmer erschloß, und den mit „Landshut“-Befreiung und Schleyer-Ermordung im „deutschen Herbst“ 1977 einhergehenden Protesten gegen die Auslieferung des RAF-Anwalts Klaus Croissant an den Bonner „Polizeistaat“ gelang es einer „eingespielten Empörungsmaschinerie“, den Terror jenseits des Rheins innenpolitisch zu funktionalisieren. Der Popanz eines sich im Antiterror-Einsatz „faschisierenden“ und „gefährlicher“ werdenden Deutschlands, so urteilt der Münchener Doktorand Markus Lammert (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 4-2011), bahnte den Kurswechsel der Pariser Eliten an, um Frankreich als „Hort der Menschenrechte“ gegenüber dem ewig „autoritären“ Nachbarn zu profilieren. 1981 mit François Mitterrands Machtübernahme regierungsoffiziell geworden, erlitt die linksliberale Justiz- und Sicherheitspolitik aber bereits 1982 ihr Fiasko.

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