© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Grüße aus London
Murdochs Sündenpfuhl
Derek Turner

Die Leveson-Untersuchungskommission verschafft den Briten Ablenkung von miserablen Wirtschaftsprognosen. Die Kommission, die am 14. November ihre Arbeit aufnahm, soll Aufklärung über den Abhörskandal bringen, der Rupert Murdochs Medienimperium schweren Schaden zugefügt hat: Sein auflagenstarkes Sonntagsblatt News of the World wurde bereits im Juli eingestellt, sein Versuch, den größten britischen Pay-TV-Anbieter BSkyB zu übernehmen, muß bis auf weiteres als gescheitert gelten.  

Die Liste der Beteiligten, die vor dem Untersuchungsausschuß aussagen, ist ein „Wer ist wer“ der britischen „Elite“ – darunter der ehemalige Londoner Polizeipräsident Sir Paul Stephenson, dessen Beamte Informationen an Reporter verkauft haben sollen; Premierminister David Camerons einstiger Medienberater Andy Coulson, der als seinerzeitiger News of the World-Chefredakteur zu den Hauptverdächtigen im Abhörskandal zählt; Formel-1-Funktionär Max Mosley, der laut Berichten der News of the World an „Sexorgien mit Prostituierten in Nazi-Uniformen“ teilgenommen haben soll; Frauenschwarm Hugh Grant, der behauptet, sein Handy sei abgehört worden – und nicht zuletzt „Harry Potter“-Erfinderin J. K. Rowling, deren Kinder angeblich durch die Neugier der aufdringlichen Presse bleibende Gesundheitsschäden erlitten.

Besonders nahe gingen vielen Beobachtern die Aussagen der Eltern von Millie Dowler, die 2002 im Alter von 13 Jahren entführt und ermordet wurde, und von Madeleine McCann, deren Schicksal bis heute nicht aufgeklärt werden konnte, seit sie im September 2007 aus einem Hotelzimmer in Portugal verschwand. Ein Mitarbeiter der News of the World löschte nach ihrem Verschwinden Nachrichten von Millies Mobiltelefon, was ihren Eltern Hoffnung gab, daß sie noch am Leben sei. Die McCanns wiederum sahen sich sogar dem Verdacht ausgesetzt, sie hätten ihre Tochter verkauft.

Die traurige Geschichte wirft ein grelles Licht auf das Geflecht von Presse und Politik – und auf die Heuchelei eines Millionenpublikums, das sich bis vor wenigen Monaten keine Ausgabe der News of the World entgehen ließ, um genau jene Geschichten zu lesen, die es nun in Grund und Boden verdammt.

 

Derek Turner ist Herausgeber der britischen Zeitschrift „Quarterly Review“  www.quarterly-review.org

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