© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Kristina Schröder allein zu Hause
Union: Im Streit um das Betreuungsgeld steht die Familienministerin unter den Frauen in der CDU-Führung auf verlorenem Posten
Paul Rosen

Die große Einigkeit hielt nicht lange. Am 6. November hatte der Koalitionsausschuß von Union und FDP ein Betreuungsgeld von 100 Euro beschlossen. Es soll ab 2013 an Familien gezahlt werden, die ihre Kinder nicht in staatliche Betreuungseinrichtungen schicken, sondern Erziehung und Betreuung selbst in die Hand nehmen. 2014 soll der Betrag auf 150 Euro monatlich steigen. Seit dem Beschluß steht besonders der weibliche CDU-Teil der Union Kopf.

Auch wenn andere Argumente wie Rentenversicherungsfragen von den Gegnern des Betreuungsgeldes vorgeschoben werden, geht es in der letzten Konsequenz um die alte Frage: Gehören Kinder in die Familie, wo sie liebevoll und individuell erzogen werden, oder in Kinderbetreuungseinrichtungen, die heute „Kitas“ genannt werden? Zugespitzt formuliert: Will man das System der kollektiven Kindererziehung unabhängig von den Familien wie weiland in der DDR zum Normalfall machen oder auch eine selbstverantwortliche Lösung, getragen vom Freiheitsgedanken, ermöglichen?

Im Bundestag sind die Fronten klar: Linkspartei, Grüne und SPD wollen von Entscheidungsfreiheit nichts wissen, der FDP, die längst keine familienpolitische Ausrichtung mehr hat, ist das Thema weitgehend egal. Die Liberalen ließen sich in dem Koalitionsgespräch ihre Zustimmung von der CSU abkaufen, indem die CSU wiederum einer minimalen Steuerreform zustimmte, von der sich FDP-Chef Philipp Rösler die Wende für seinen dümpelnden Verein erhofft. Die CSU steht in der Frage des Betreuungsgeldes noch zu ihrem Programm und gegen den Zeitgeist, der längst in Richtung DDR surft: „Wer heute noch gegen das Betreuungsgeld hetzt und wie die SPD und die Grünen es als Fernhalteprämie oder Herdprämie bezeichnet, der diffamiert viele Millionen Väter und Mütter“, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt mit Blick auf die CDU. Dort wollen viele mit den linken Kräften gleichziehen, um nicht immer dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, sie wollten eine „Herdprämie“ einführen.

Kanzlerin Angela Merkel steht bisher noch zum Betreuungsgeld, weil sie auf dem CDU-Parteitag nach dem Wegräumen der programmatischen Säule dreigliedriges Schulsystem nicht auch die – allerdings bereits stark rissige – Säule Familienbild einstürzen lassen wollte. Der Wandel der CDU darf nicht so ganz plötzlich fortschreiten. Somit blieb die Kanzlerin in der Haushaltsdebatte des Bundestages standhaft, als sie darauf hinwies, ein gemeinsames Betreuungs- und Elterngeld gebe es sogar in Schweden, Norwegen und Finnland. Dort sorge man für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für Wahlfreiheit. „Wollen Sie uns etwa erzählen, daß dies Länder sind, in denen man Familienpolitik so macht, wie Sie es nicht wollen?“ fragte Merkel.

Standfest zeigt sich Familienministerin Kristina Schröder (CDU), eine der wenigen in der Regierung mit konservativen Positionen. Sie findet es „richtig, Eltern eine finanzielle Unterstützung zu geben, die sich zu Hause um die kleinen Kinder kümmern und dafür ihre eigene Berufstätigkeit und Karriere zurückstellen oder die Betreuung selbst organisieren“. Es gebe auch Leute, die das Betreuungsgeld als „Bildungsfernhaltegeld“ diffamieren und „damit Eltern, die ihre Kinder selbst zu Hause betreuen, praktisch unterstellen, sie würden ihren Kindern etwas Schlechtes antun. Ich finde, das ist eine Unverschämtheit gegenüber solchen Familie“, sagte Schröder dem Cicero.

Die Ministerin weiß natürlich, daß sie sich auf die windige Merkel nicht verlassen kann und ohnehin den größten Teil der Partei-Funktionäre gegen sich hat. Die CDU-Führung hatte, so war auf dem Parteitag zu hören, damit gerechnet, daß die FDP das Betreuungsgeld scheitern lassen würde. Das Veto der Blau-Gelben blieb jedoch aus. Prompt kamen Forderungen vor allem aus der sich „emanzipiert“ gebenden Frauen-Union der CDU, es müsse zusammen mit dem Betreuungsgeld eine Rentenerhöhung für Mütter und mehr Geld für den Krippenausbau geben. Die Forderungen sind vermutlich unbezahlbar.

Wer die CDU kennt, weiß, daß sie einbrechen, wieder eine Position räumen und den Rückmarsch in die DDR-Familienpolitik mitmachen wird. Ganz im Sprachstil des Ost-Berliner Regimes ernannte der Stern die größte Betreuungsgeld-Gegnerin in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Rita Pawelski, bereits zur „Kämpferin der Woche“.

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