© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/11 / 25. November 2011

Lockerungsübungen
Abkehr von der Demokratie
Karl Heinzen

Mit Lukas Papademos in Griechenland und Mario Monti in Italien haben Regierungschefs ihre Amtsgeschäfte aufgenommen, die nicht durch Wahlen legitimiert sind. In Europa wird dies als Beweis für die Reformfähigkeit der Demokratie verstanden.

Als besonders prädestiniert für ihre Aufgaben gelten beide aus drei Gründen. Zum ersten verstehen sie sich nicht als Politiker. Da auch unter ihnen Regierungshandeln weiterhin etwas mit Politik zu tun haben dürfte, soll damit vermutlich zum Ausdruck gebracht werden, daß sie Quereinsteiger sind, die nicht den eigentlich üblichen Karriereweg über Parteien eingeschlagen haben.

Zum zweiten wird Papademos und Monti nachgesagt, Fachleute zu sein. Damit ist offenbar gemeint, daß sie sich nicht von Überzeugungen leiten lassen, mit denen parteilich gebundene Politiker das Meinungsklima vergiften und eine effiziente Staatstätigkeit blockieren. Hierfür hat sich auch das Kosewort „Technokrat“ eingebürgert. Wer mit ihm bedacht wird, darf sich im Besitz eines moralischen Freibriefs wähnen. Er ist ermächtigt, notfalls sogar die Verfassungsordnung auf den Kopf zu stellen, da er ja ausschließlich sachliche Ziele verfolgt und keine ideologischen Flausen im Kopf hat.

Drittens sind Papademos und Monti Wunschkandidaten der Finanzwelt und der EU. So können sie sich darauf beschränken, lediglich zwei Regierungsaufträge miteinander in Einklang zu bringen. Sie müssen sicherstellen, daß ihre Länder nicht zum Verlustgeschäft für Kreditgeber werden und deren Neuverschuldung zugleich einen von Brüssel als akzeptabel erachteten Rahmen nicht sprengt. Alle anderen Politikfelder, auf denen man einst einen Gestaltungsauftrag des Staates unterstellte, dürfen in den Hintergrund treten.

Mit diesen Machtwechseln ist der sanfte Übergang zu einer neuen Form der Herrschaftslegitimierung markiert, die sich nicht mehr auf Wahlen und Parlamente stützt, sondern auf das Vermögen einer Regierung, Probleme pragmatisch und autoritär zu lösen. Diese hat zwar faschistische Züge, kommt aber ohne Sozialpopulismus, archaische Mythen und militaristische Rhetorik aus. Im Kern handelt es sich eher um eine Rückkehr zu den Ursprüngen des Liberalismus: Der Demokratie ist zu mißtrauen, und der blinde Volkswillen ist durch eine bürgerliche Elitenherrschaft in Schach zu halten.