© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/11 / 18. November 2011

„Permanente Reizsteigerung“
Talkshow-Flut: Eine Studie der DGB-nahen Otto-Brenner-Stiftung kritisiert den Qualitätsverlust bei Anne Will und Co.
Lion Edler

Die zahlreichen Talkshows im deutschen Fernsehen behaupten, im Gegensatz zur Politik die Bürgernähe für sich gepachtet zu haben. Eine neue Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung kritisiert diese Politikdarstellung als Einseitigkeit und als weiteren Beitrag zur Politikverdrossenheit.

Autor Bernd Gäbler arbeitete lange in Fernsehredaktionen. Mittlerweile, so Gäbler, fröne das Fernsehen „einer Zweiweltenlehre, die besagt, daß „die“ Politik und „die“ Lebenswirklichkeit der Menschen wenig miteinander zu tun hätten oder gar Paralleluniversen seien.

Auch sonst läßt die Studie kein gutes Haar an der Entwicklung der Talkshows, wobei manches davon freilich Binsenweisheiten sind. So klagt Gäbler, „wechselnde Standpunkte“, „nachdenkliches Lavieren“ oder gar die Bereitschaft zur teilweisen Übernahme gegnerischer Ansichten seien in Talkshows nicht gefragt. Stattdessen vollziehe sich eine „permanente Reizsteigerung, weil Ruhe und Differenziertheit leicht mit Langeweile identifiziert werden“. Teilnehmer redeten direkt zum Publikum. Es ginge ihnen nur um die „Verlautbarung des eigenen Standpunkts“.

Auch bei der Auswahl der Talkshow-Themen und -Gäste liefert die Studie interessante Einblicke in die Abgründe der TV-Inszenierungen. Die Anne-Will-Redaktion etwa bastelte aus Tatort-Filmen „liebend gerne ein gesellschaftspolitisches Thema“, um Krimi-Zuschauer für die Sendung gewinnen zu können. So wurden in einer Runde über Armut unter Leugnung des fiktiven Charakters des Krimis immer mehr Filmszenen als Einspieler genutzt. Günther Jauch hat dankenswerterweise zwischenzeitlich diese Verquickung von Fiktion und Realität abgestellt.

Dafür war bei „hart aber fair“ Dietmar Bär zu Gast zum Thema „Der Feind in der Familie – wenn der Mann zum Schläger wird“, weil er zuvor im ARD-„Fernsehfilm der Woche“ eine entsprechende Rolle gespielt hatte.

„Unseren täglichen Talk gib uns heute“  www.otto-brenner-stiftung.de

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