© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/11 / 18. November 2011

Vom Verrat der Intellektuellen
Hohenschönhausen-Forum reflektiert Totalitarismus
Christian Dorn

Das jetzt zum vierten Mal ausgerichtete „Hohenschönhausen-Forum“ ist heute ein unverzichtbarer Termin, wenn es darum geht, den Totalitarismus in Deutschland zu demaskieren. Die alljährliche Veranstaltung widmete sich diesmal dem „Verrat der Intellektuellen“ und der damit verbundenen „Diktaturverklärung gestern und heute“. Daß die Gefahr ideologischer Komplizenschaft aktuell bleibt, zeigte der eröffnende Vortrag des Schriftstellers Richard Wagner, der die „Diskursgrenzen“ im heutigen Deutschland „zwischen Meinungsfreiheit und Selbstzensur“ thematisierte.

Hubertus Knabe, wissenschaftlicher Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, stellte klar, daß die „Linksliberalen“ der alten Bundesepublik de facto nichts anderes gewesen seien als die Claqueure der Diktatur vor der eigenen Haustür. Ausdrücklich galt dies für das publizistische Flaggschiff dieser Haltung, die Hamburger Zeit. Erinnert wurde an die Servilität des einstigen Chefredakteurs und Herausgebers Theo Sommer, der – teilweise in Gemeinschaft mit Gräfin Dönhoff – die DDR-Diktatur schönschrieb. Einer Reportage im Jahr 1964 unter dem romantisierenden Titel „Reise in ein fernes Land“, die die Idee einer „Liberalisierung durch Stabilisierung“ verfocht, folgte die berüchtigte Reise im Jahr 1986, die zu einer Apotheose des Honecker-Regimes geriet.

In der Debatte über „Idealisten oder nützliche Idioten? Intellektuelle als Fürsprecher des Kommunismus“ attestierte Knabe Figuren wie Sommer und Grass ein gebrochenes Nationalbewußtsein, hatten diese doch bis zuletzt die Teilung Deutschlands als folgerichtige Strafe für die NS-Vergangenheit verteidigt. Freilich offenbarte Knabe, daß auch er die Formeln einer neuen Gesinnungsdiktatur verinnerlicht hat: So mahnte er für die deutsche Gesellschaft mehr Patriotismus an, um sogleich vorsorglich anzufügen: „Nicht, daß ich sonst etwas mit Patriotismus am Hut hätte.“

Daß das frühere Muster der Diskreditierung, das DDR-Kritiker automatisch als „Kalte Krieger“ stigmatisierte, heute in der Diffamierung von Islamismus-Kritikern fortlebt, skizzierte in einem bemerkenswerten Auftritt der derzeit in Budapest lehrende Politikwissenschaftler Hendrik Hansen, der über die „zwischen Naivität und Faszination“ changierenden „Beschönigungen des Islamismus“ referierte.

 www.stiftung-hsh.de

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