© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/11 / 18. November 2011

Zeitschriftenkritik: Éléments
Sorge um das europäische Erbe
Martin Lichtmesz

Als „Nouvelle Droite“, „neue Rechte“, will der französische Publizist Alain de Benoist seinen Kreis an nonkonformen Intellektuellen schon lange nicht mehr bezeichnet wissen. Das schlechteste Markenzeichen ist das Schlagwort allerdings nicht: Es steht weiterhin für eine reizvolle Alternative zum Mainstream mit einem deutlich „rechten“ Geschmack.

Das jüngste Heft des Hausorgans Éléments, dem Magazin „für die europäische Zivilisation“, widmet sich fast schon zwangsläufig der „Agonie des Euro“, die auch eine „Agonie Europas“ sei. Die drastisch aufgemachte Titelseite zeigt eine Euromünze mit blutigen Einschußlöchern, die Mörder macht Benoist in seinem Leitartikel „Tod auf Kredit“ (der Titel ist einem Roman von Céline entlehnt) dingfest. „Aktionäre und Kredithaie sind die Shylocks unserer Zeit“, so Benoist, allerdings auch nichts Neues unter der Sonne: In einem historischen Abriß zeigt er, wie die Zinswirtschaft schon in der Antike, etwa durch Aristoteles, und später von der römischen Kirche und dem Islam verdammt wurde.Wer sich aber der Finanz verschreibt, wird durch sie umkommen: „Das Geldsystem wird vom Geld selbst zerstört werden.“

Um das europäische Kulturerbe und seine Bedrohung durch den „Wucher“ geht es indirekt auch in einem Beitrag über die US-Adaption von „Tintin“ („Tim und Struppi“), einem der seit Generationen beliebtesten Comics (nicht nur) der frankophonen Welt. Ist die Übernahme durch Hollywood und den Dollar-Yankee eine „Hochzeit wider die Natur?“ Michel Marmin sieht in Tintin-Schöpfer Hergé jedenfalls einen Mann ganz nach dem Geschmack der „Nouvelle Droite“: „Ein Mann der Rechten, Antikommunist, aber auch Antikapitalist!“

Der „Knüller“ des Heftes ist allerdings ein Interview mit dem ebenso legendären wie berüchtigten Staranwalt Jacques Vergès, der seit über vierzig Jahren illustres Personal wie Terroristen, Diktatoren, gestürzte Staatsmänner, Gestapo-Offiziere, „Holocaustleugner“ und Rote Khmer vor Gericht vertritt. Der vietnamesischstämmige militante Antikolonialist ist inzwischen 86 Jahre alt, aber kampflustig wie eh und je. In seinem Buch „Sarkozy unter BHL“ (gemeint ist der einflußreiche Publizist Bernard-Henri Lévy) klagt er zusammen mit dem ehemaligen französischen Außenminister und Rechtsanwalt Roland Dumas den Staatspräsidenten Sarkozy wegen seines Engagements in Libyen nicht nur der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ an, sondern auch des „Verrats an Frankreich“. Sein Urteil könnte dabei kaum schärfer sein:„Mit Nicolas Sarkozy ist Frankreich in eine Spirale der fortschreitenden Dekadenz geraten, die in seiner Geschichte beispiellos ist.“ Mit der Teilnahme an der barbarischen Bombardierung Libyens sei Frankreichs politische Klasse „tiefer gesunken als je zuvor“, die Regierung sei „verrückt und mafiotisch (…) Wir leben in einem anarchischen Polizeistaat.“ Das mag stark übertrieben klingen, aber in einer Zeit, in der mit dem Euro auch die europäischen Eliten einer ruhmlosen Dämmerung entgegengehen, ist das Mißtrauen gegenüber den Herrschenden so groß geworden, daß kaum eine Unterstellung mehr unglaubwürdig scheint.

Kontakt: Éléments, 242 boulevard Voltaire, 75011 Paris. Das Einzelheft kostet 5,50 Euro. www.revue-elements.com

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