© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

Umwelt
Kapitaler Denkfehler
Volker Kempf

Die Medien haben sich vorige Woche erwartungsgemäß auf den statistisch siebenmilliardsten Menschen gestürzt. Wird es nun eng auf Erden? Der Volkswirt und Demograph Herwig Birg verneinte dies in der ARD. Alle Menschen würden sitzend auf Mallorca Platz haben. Das wird man getrost als Bonmot zur Massenunterhaltung abtun können. Und die Welternährungslage? Diese sei leicht gelöst, wenn sich der Verzicht auf Fleisch durchsetzen würde. Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre, hätte auch Klimakanzlerin Angela Merkel immer eine Lösung parat. Tatsächlich wächst der Fleischkonsum mit dem Wohlstand mit. Die Fischbestände werden schon jetzt unter dem bestehenden Bevölkerungs- und Zivilisationsdruck deutlich übernutzt. Entsprechendes gilt für die Regenwälder mit ihrer einzigartigen Artenvielfalt.

Und Energieprobleme? Kein Thema für den Bielefelder Emeritus, denn Kohlevorräte reichen für Jahrhunderte. Wenn das so einfach wäre, gäbe es keine Kriege um Ressourcen, zu denen man etwa die Golfkriege zählen könnte. Nicht zu vergessen, daß zur Kunstdüngerproduktion viel Energie eingesetzt werden muß und auch davon die Ernährungslage abhängt. Birg macht es sich zu einfach, sieben Milliarden Menschen und mehr lassen sich nicht ökologisch schönrechnen. Die Abnahme der Weltbevölkerung ab 2070 bleibt auch nur ein schwacher Trost. Denn diese Abnahme wird nicht ohne Kriege und Katastrophen vonstatten gehen. Nicht die Vernunft setzt sich durch, sondern die Naturgesetze zwingen den Menschen zu dem, wozu er zu wenig Einsicht übrig hat. Der Philosoph Hans Jonas hatte das klar gesehen. Birg hingegen unterliegt dem Denkfehler, daß – weil die Marktwirtschaft dem Sozialismus überlegen ist – dies allein schon ein Überlebensprogramm sei. Was wir brauchen, ist eine aktive Weltbevölkerungspolitik, die ist mindestens so wichtig wie die Klimapolitik.

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