© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

Krebsgeschwür Mensch
Bekenntnisse eines Öko-Terroristen: Eine Dokumentation über den Kampf des unermüdlichen Walschützers Paul Watson kommt jetzt in die Kinos
Baal Müller

Piraten“ gelten heute als Kämpfer gegen schlechte Gesetze im Namen eines besseren Rechts. Die Berufung auf persönliche Evidenz und die Bewunderung des „einsamen Helden“ entsprechen einem Lebensgefühl, das den staatlichen Institutionen desinteressiert bis ablehnend gegenübersteht und sicher nur kurzzeitig an eine systemkonforme „Piratenpartei“ gebunden werden kann. Große Sympathien genießen Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace oder Einzelpersönlichkeiten wie der Umweltschützer Paul Watson, der ebenfalls mit dem Piratenbegriff kokettiert, zuweilen aber auch als „Öko-Terrorist“ bezeichnet wurde.

„Bekenntnisse eines Öko-Terroristen“ heißt ein Dokumentarfilm von Peter Brown über den Begründer der Sea Shepherd Conservation Society, einer Organisation, die seit 1977 auf eigene Faust gegen illegalen Fisch-, Robben- und Walfang vorgeht. Bekenntnisse werden allerdings nur indirekt vorgetragen; dem beleibten, etwas grobschlächtigen Mann mit leuchtend weißem Haar geht es eher um direkte Aktionen auf hoher See, bei denen er auch gefährliche Konfrontationen nicht scheut, wie der Film eindrucksvoll zeigt.

Ob Watson und seine aus wechselnden Mitgliedern bestehende Crew Treibnetze aus dem Wasser ziehen, sich mit knüppelbewehrten Robbenjägern anlegen, Walfangboote mit Buttersäure-Stinkbomben beschießen, um den Fang unbrauchbar zu machen, deren Besatzung mit Laserpointern blenden oder die Wale durch Lärm vertreiben – der 1950 in einem Fischerdorf an der kanadischen Ostküste geborene „Seebär“, dessen berufliche Laufbahn bei der Küstenwache begann, ist ein unerschütterlicher Überzeugungstäter, keinesfalls aber ein Terrorist. Selbst bei seinen umstrittensten Aktionen, dem Rammen von Walfängern oder dem Versenken von (unbemannten) Schiffen, wurde noch nie ein Mensch verletzt, und fremdes Eigentum wurde nur beschädigt, um dessen ungesetzmäßigen Gebrauch zu unterbinden.Trotz gelegentlicher Festnahmen sowie der Beobachtung durch Interpol kam es bislang zu keiner Verurteilung Watsons, der sich auf die United Nations World Charter for Nature beruft und betont, lediglich internationale Abkommen gegen illegale Fischerei durchzusetzen. Dies mit Erfolg, denn seine Störmanöver in der Antarktis führten dazu, daß der japanische Walfang in den letzten Jahren unrentabel wurde.

Weltweite Aufmerksamkeit fanden in jüngster Zeit zwei Ereignisse: ein ungeklärter Beschuß mit scharfer Munition bei einer Anti-Whaling-Kampagne im März 2008, den Watson der japanischen Küstenwache zuschrieb, was diese dementierte; und eine Kollision der Ady Gil, eines Schiffes der Sea-Shepherd-Flotte, mit dem japanischen Walfangboot Shonan Maru am 6. Januar 2010 südlich von Tasmanien. Durch den Unfall, dessen mutwillige Provokation beide Seiten einander vorwarfen, wurde der Ady Gil ein großes Stück des Bugs abgerissen; die Besatzungsmitglieder konnten gerettet werden, bevor das – zunächst geborgene – Schiff nach zwei Tagen versank. Später sagte dessen Kapitän Pete Bethune jedoch aus, Watson habe die Versenkung angeordnet, um die Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen.

Der Fall führte zu politischen Verwicklungen zwischen Japan, Neuseeland, wo die Ady Gil registriert war, und Australien, das im dortigen Gewässer für Rettungsmaßnahmen zuständig ist: Der neuseeländische Außenminister McCully sprach sich entschieden gegen den japanischen Walfang in der Antarktis aus und fügte hinzu, „wir lehnen es auch ab, daß Menschen dort getötet werden“; später kam die neuseeländische Seefahrtsbehörde jedoch zu dem Schluß, daß es sich um einen Unfall gehandelt habe.

Watsons Society und die japanische Walfangflotte setzten ihre kleine Seeschlacht fort: Im Februar wurde ein weiteres Schiff von der Yushin Maru 3 gerammt; kurz darauf wurde ein anderes japanisches Schiff von Bethune geentert, der dessen Kapitän die Rechnung für die zerstörte Ady Gil übergeben wollte. Bethune wurde festgesetzt, in Japan der Piraterie angeklagt und, nachdem er eine Bewährungsstrafe erhalten hatte, des Landes verwiesen.

Natürlich fördern dramatische Ereignisse Watsons Popularität und sein Anliegen, für das er auch „Kollateralschäden“ in Kauf nimmt, die in Browns Film harmonisierend überspielt werden – wenn Naturschützer Wale oder niedliche Robbenbabys retten (deren Tötung, nebenbei bemerkt, Öko-Touristen anlocken soll), kann es doch kaum etwas zu diskutieren geben.

So ökologisch korrekt manche militante Veganerin unter Watsons Totenkopfflagge jedoch auftritt – die Differenzen des Captain zum selbstgefälligen Gutmenschentum sind unübersehbar: Watson, der zu den Gründungsmitgliedern von Greenpeace gehörte, wirft dieser Organisation mittlerweile vor, von der Naturzerstörung zu profitieren, indem sie ihren Förderern ein gutes Gewissen verkaufe; und einige seiner Ansichten, etwa über die nötige „Reduktion“ der Menschheit auf eine Milliarde, oder seine Sicht des Menschen als globales Krebsgeschwür lassen den „Piraten“ und „Öko-Terroristen“ ein wenig als „Öko-Faschisten“ erscheinen, was der Sache keinen Abbruch tut. Im Denken ist er noch radikaler als im Handeln und zwingt zu Reflexion und Stellungnahme.

Foto: Captain Peter Watson: Militante Aktionen gegen japanische Walfänger fördern seine Popularität

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