© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

Zeitgemäßes Totengedenken
Ehrenmal der Bundeswehr: Fern der touristischen Brennpunkte Berlins fristet das zentrale Denkmal für die getöteten Bundeswehrsoldaten sein Schattendasein
Hinrich Rohbohm / Curd-Torsten Weick

Die Hildebrandstraße liegt gleich am Reichpietsch-ufer. Nahe Tiergarten, im Herzen Berlins. Die Straße ist Zugangsweg zum Ehrenmal der Bundeswehr. Das Denkmal, ein kubischer Kasten auf dem Gelände des Bundesverteidigungsministeriums im Bendlerblock, ist mit einem Bronzegitter verschlossen. Das Muster des Gitters soll abgebrochene Erkennungsmarken von Soldaten darstellen, die symbolisch für den Tod eines Soldaten stehen sollen.

„Staatsbesuch“, nennt ein Wachsoldat den Grund dafür, daß auch innerhalb der bestehenden Öffnungszeiten ein Besuch nicht möglich ist. Einen Tag später hat das Ehrenmal wieder geöffnet. Die Hildebrandstraße ist dennoch menschenleer. Kaum einer scheint sich für das Ehrenmal zu interessieren. Einzig die Besuchergruppe im Inneren des Denkmals sorgt für Leben. Ein Marineoffizier erläutert ihr das Bauwerk. Es seien schon eher zielgerichtete Besucher, die hierher- kommen, sagt er zu der Gruppe. „Aber das ist besser, als wenn das Ehrenmal am Reichstag steht und keiner seinen Sinn versteht“, meint der Soldat. Ein weiterer Vorteil sei, daß der Bau auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums stehe, das somit das Hausrecht ausüben könne. „Nicht jeder steht dem Ehrenmal positiv gegenüber. Da ist es gut, daß die Feldjäger jederzeit eingreifen können, wenn es zu Sachbeschädigungen kommen sollte.“

Auf der Seite rechts vom Eingang befindet sich der Raum der Stille. Kränze sind niedergelegt. Die Wände sind pechschwarz. „Was empfinden Sie?“ fragt der Offizier in die Runde. „Der Raum wirkt dunkel und kalt“, kommt die prompte Antwort einer Besucherin. Genau dies habe man auch bezwecken wollen, entgegnet der Fragesteller. Und kommt auf die Namen zu sprechen, die in weißen Buchstaben per Projektor auf den schwarzen Stein geworfen werden. Acht Sekunden für jeden Namen eines gefallenen Bundeswehrsoldaten.

Eingeweiht wurde das Ehrenmal am 8. September 2009. Initiator des Projekts war Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Die Idee sei ihm bei seinem ersten Afghanistan-Besuch im Dezember 2005 gekommen, erklärte er im Juni 2006 in einem Beitrag für die Zeit. Dieser habe ihm „gezeigt, daß unsere Soldaten ganz unbefangen den Wunsch verspüren, die ums Leben gekommenen Kameraden vor dem Vergessen zu bewahren. In eigener Initiative haben sie dort ein Ehrenmal errichtet. ‘Den Toten zu Ehren’ steht auf einem großen Gedenkstein.“ Vor diesem Hintergrund habe er dann „entschieden, ein zentrales, öffentlich zugängliches Ehrenmal der Bundeswehr errichten zu lassen“, an dem in „würdiger Form der Toten der Bundeswehr gedacht“ werden kann.

Obwohl es bereits seit langem Ehrenmale der Teilstreitkräfte (Heer in Koblenz; Marine in Laboe; Luftwaffe in Fürstenfeldbruck) gibt, wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Am 16. Mai 2007 sprach sich dann die von Jung eingesetzte sechsköpfige Findungskommission für den Entwurf des Münchner Architekturprofessors Andreas Meck aus und hob in dem Zusammenhang besonders die „zeitgemäße Form der öffentlichen Ehrung“ hervor. Im Anschluß präsentierte der Verteidigungsminister die Entscheidung der Öffentlichkeit, und die Diskussion um das „umstrittene“ Ehrenmal eskalierte.

Im Fokus der Kritik: der Alleingang Jungs, die Wahl des Standorts sowie die Botschaft des Projektes überhaupt. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete sprachen sich dafür aus, die Gedenkstätte in der Nähe des Reichstages zu errichten, statt auf dem Gelände des Berliner Sitzes des Verteidigungsministeriums. Vor allem die oppositionelle FDP machte mobil. So befürchtete der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner, daß das Ehrenmal zu einem Ort für „ritualisierte Kranzniederlegungen“ verkommen könnte. Zudem, so der FDP-Politiker weiter, sei ein „Denkmal im Hinterhof“ des Verteidigungsministeriums nicht besonders dafür geeignet, der Öffentlichkeit die Bedeutung und die Gefahren von Auslandseinsätzen der Bundeswehr vor Augen zu führen (JF 26/07). Parallel dazu monierten Bündnisgrüne und Linkspartei die Etablierung einer neuen Kriegermentalität.

Doch Jung, dessen Ministerium (BMVg) das Projekt allein geplant und finanziert (vier Millionen Euro) hat, wischte alle Bedenken beiseite. Demnach steht das Ehrenmal für die cirka 3.200 Angehörigen der Bundeswehr, die im Dienst seit 1955 ihr Leben verloren haben, nicht in der „Tradition von klassischen ‘Kriegerdenkmalen’“, sondern fügt sich „nahtlos in das Traditionsverständnis der Bundeswehr“ (Planungsstab BMVg) ein. Die Inschrift des Ehrenmals „Den Toten unserer Bundeswehr. Für Frieden, Recht und Freiheit“ dient als Beweis. Parallel dazu unterstreiche der „ausreichende Abstand“ zum Innenhof des Bendlerblocks mit seiner Gedenkstätte Deutscher Widerstand, daß das Bundeswehr-Ehrenmal die „Bedeutung des 20. Juli für das Traditionsverständnis der Bundeswehr weder berührt noch relativiert“.

Ganz dieser Intention entsprechend lobte Bundespräsident Horst Köhler bei der feierlichen Einweihung im September 2009 die Nüchternheit des Mahnmales. Es treibe „keine falsche Heldenverehrung“, pflege „keinen Opferkult“ und „verherrliche keinen Krieg“, sondern diene allein der Erinnerung an „diejenigen, die im Dienst für unser Land ihr Leben gegeben haben“.

Zwei Jahre später ist Ruhe eingekehrt. Sehr viel Ruhe. Zwar gibt es immer wieder Kritik sowohl an der Abgelegenheit und Zugänglichkeit des Ehrenmals als auch an der Namens-projektion, die den Trauernden dazu zwingt, mehr als acht Stunden auf die Namensnennung zu warten. Dennoch malt Oberstleutnant Daniel Decker, militärischer Leiter und Referent des Besucherdienstes im Verteidigungsministerium, ein positives Bild.

Bis Ende August dieses Jahres seien – ungeachtet der spontanen Besucher –  insgesamt etwa 13.500 Personen durch das Ehrenmal geführt worden. Tendenz steigend.

Öffnungszeiten Ehrenmahl der Bundeswehr: Mo.,/ Di.,/ Mi.,/ Fr. 9 bis 18 Uhr, Do. 9 bis 20 Uhr, Sa./So./Feiertags 10 bis 18 Uhr. Information: 030 / 18 24 22 37

Fotos: Besuchergruppe vor dem Bundeswehr-Ehrenmal in der ruhigen Berliner Hildebrandstraße: Nicht wenige sind von der „zeitgemäßen Form der öffentlichen Ehrung“ irritiert; Ehrenmal des Heeres auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz: „Den Toten des Deutschen Heeres“; Ehrenmal der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck: „Ihr seid unvergessen“; Marine-Ehrenmal Laboe: „Sie starben für uns – Den Lebenden zur Mahnung“; Ehrenhain der Bundeswehr im Feldlager Kunduz /Afghanistan: „Den Toten zu Ehren“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen