© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

„Zensiert euch selbst“
„Kampf gegen Rechts“: Ein Symposion soll junge bayerische Polizisten für die Gefahren des Rechtsextremismus sensibilisieren
Sebastian Fischer

Gleich ein ganzes Dutzend wackerer Kämpfer gegen Rechtsextremismus lud die in Sulzbach-Rosenberg beheimatete bayerische Fachhochschule für Polizei Ende Oktober zu einem Symposion mit dem Titel „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus. Für Demokratie und Toleranz.“

Der umtriebige Anti-Rechts-Journalist Andreas Speit, der von der Moderatorin der Veranstaltung, Agnes Eisenreich vom Bayerischen Rundfunk, als „Guru“ in Sachen Kampf gegen Rechts geadelt wurde, führte in das Thema ein. Speit, der gerne erwähnt, daß er regelmäßig für die taz schreibt, hat weder Zweifel an seiner Mission, noch erwartet er Widerspruch. Wie passend, daß gleich noch ein Büchertisch bereitsteht, bei dem die Werke der Experten erworben werden können. Fast eine Stunde befaßt sich Speit dann in einem unstrukturiert wirkenden Vortrag vorwiegend mit der NPD. Dabei baut Speit eine Drohkulisse auf, die zum wohligen Schaudern einlädt. Verwackelte Filmaufnahmen werden präsentiert, konspirativ aufgenommen an einem NPD-Wahlkampfstand.

Anstößige Zitate werden laut vorgelesen, Mitgliederzahlen präsentiert, die vermeintliche Professionalität der Parteiführung beschworen. Der NPD sei es gelungen, durch die Strategie „Anzug statt Glatze“ Sportvereine und Feuerwehren zu infiltrieren und durch diesen perfiden Strategiewechsel zu einer Macht in der deutschen Parteienlandschaft zu werden.Zur Veranstaltung sind Pädagogen aus ganz Nordbayern geladen. Die Teilnahme der polizeilichen Studenten ist per Dienstplan befohlen. Kein leichtes Publikum für die angereisten Experten. Zum Teil schon jahrelang auf Bayerns Straßen unterwegs, können die Polizisten ganz offensichtlich mit Speits alarmistischer Art wenig anfangen. Bald leuchten kleine Bildschirme von Mobiltelefonen unter den Bänken des Audimax auf. Ein Teilnehmer kann das Rascheln seiner Zeitung nur schwer verbergen. Man spendet schließlich Pflichtapplaus. Am Ende bleibt der Eindruck, daß Speit für seine Zukunft eines am meisten fürchtet: ein NPD-Verbot.

Ein weiterer Redner ist der Diplom-Pädagoge Hans-Peter Killgus, Leiter einer Bildungs- und Informationsstelle gegen Rechtsextremismus der Stadt Köln. Er referiert zum Thema Islamfeindschaft. Eine besondere Herzensangelegenheit ist ihm dabei die im Bau befindliche Großmoschee im Herzen seiner Heimatstadt (siehe Seite 4). Parkplatzmangel und Lärmprobleme mag Killgus als Argumente gegen das Bauvorhaben gerade noch gelten lassen. In den Ängsten der Anwohner vor Entfremdung und Identitätsverlust dagegen verortet er schon ganz klar kulturreligiös überformten Rassismus. Wenn dann noch Bürgerinitiativen wie Pro Köln diese Ängste aufnehmen, schrillen bei einem wie Killgus alle Alarmglocken. Es folgt ein verbaler Rundumschlag gegen die Pro-Bewegung, die Partei Die Freiheit, die Schweizer SVP und andere „Rechtspopulisten“ in ganz Europa.

Immer wieder wird dabei geschickt die Botschaft eingestreut, welche die gesamte Veranstaltung durchzieht: Rechtsextremistisches Gedankengut ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, ja es ist im Bürgertum fest verankert. Folgerichtig der Auftrag: Prüft euch, prüft euer Umfeld, zensiert euch selbst! Die sich anschließende Podiumsdiskussion ist keine, kann ohne gegensätzliche Positionen auch keine werden. Moderatorin Eisenreich stellt gefällige Fragen mit Tremolo in der Stimme und erhält die gewünschten Phrasen als Antwort.

Daß den Polizisten auch in Bayern auf den Straßen immer häufiger ein A.C.A.B.-Schriftzug (All Cops are Bastards/Alle Polizisten sind Bastarde) entgegenprangt und Gewalt bei politisch motivierten Demonstrationen eben meist von Linksextremisten – insbesondere vom berüchtigten Schwarzen Block  – ausgeht, ist auf der Veranstaltung kein Thema. Ein Symposion scheint es schon gar nicht wert zu sein.

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