© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

Streit der Generationen
NPD-Parteitag: Holger Apfel fordert Udo Voigt heraus
Henning Hoffgaard

Der Zustand der NPD läßt sich derzeit mit einem Wort beschreiben: desolat. Seitdem der sächsische Fraktionschef Holger Apfel seine Kampfkandidatur für den Parteivorsitz gegen Amtsinhaber Udo Voigt bekanntgegeben hat, hängt der Haussegen mächtig schief. Die Grabenkämpfe zwischen beiden Lagern werden kurz vor dem am Wochenende stattfindenden Parteitag schonungslos in der Öffentlichkeit ausgetragen. Wo die Delegierten tagen können, war indes bis zum Dienstag noch unklar. Mehr als 84 Kommunen hatten es zuvor abgelehnt, der NPD Räume zur Verfügung zu stellen. Dennoch bringen sich Anhänger beider Seiten seit Wochen lautstark für ihren Favoriten und ihre eigenen Ambitionen in Stellung.

Zum vorläufigen Höhepunkt der parteiinternen Auseinandersetzung kam es am vergangenen Samstag auf einer Veranstaltung der NPD-Nachwuchsorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) gegen die Euro-Rettung. Nachdem der Schweriner Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs Voigt offen kritisiert hatte, lieferten sich die beiden ein heftiges Wortgefecht. Pastörs, der selbst stellvertretender Parteichef werden will, gilt seit seiner Niederlage gegen Voigt auf dem Parteitag 2009 als dessen hartnäckigster innerparteilicher Rivale und hatte Apfel wenige Tage vor der Berlin-Wahl als Spitzenkandidat ins Spiel gebracht. Ein Affront gegen die Bundesspitze und den Voigt treu ergebenen Berliner Landesverband.

Entsprechend schlecht ist der NPD-Chef auf den Schweriner Fraktionschef zu sprechen. „Der hat den Berliner Wahlkampf versaut“, sagte Voigt der JUNGEN FREIHEIT. Viele Berliner hätten davor zurückgeschreckt, eine Partei zu wählen, die so zerstritten daherkommt. Auch an der Basis habe die vorschnelle Bekanntgabe der Kandidatur Apfels für Verärgerung gesorgt, meint der Parteichef.

Der sächsische Fraktionschef will das gegenüber der JF nicht gelten lassen: „Ich habe Udo Voigt schon vor Wochen über meinen Antritt informiert.“ Sein Verhältnis zum NPD-Chef beschreibt er als „konstruktiv“. Voigt habe die NPD 1996 aus ihrem Tief geholt und in zwei Landtage geführt, betont Apfel. Dennoch ist die Liste seiner Kritik an der Bundesspitze lang: fehlende Spontanität, Stagnation und sinkende Mitgliederzahlen. Kurz: Der krisengeschüttelten Partei drohe unter Voigt die vollständige Lähmung. Apfel will die Partei deswegen personell runderneuern und setzt dabei auf die JN und junge Kader wie den saarländischen NPD-Chef Frank Franz, die derzeit keinen nennenswerten Einfluß auf die Parteispitze ausüben. Auch die Landesvorstände in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen haben sich bereits für Apfel ausgesprochen.

Der Generationenkonflikt entzündet sich weniger an den politischen Inhalten, hier sind sich beide Lager weitgehend einig, als vielmehr in der Vermittlung und der Öffentlichkeitsarbeit. Von „seriöser Radikalität“ spricht Apfel, der die Partei mit Blick auf den „Gas geben“-Wahlkampf in Berlin von den „krampfhaften Assoziationen an die Vergangenheit“ lösen will. Die NPD müsse zeigen, daß sie ihre Themen besser an die Bürger bringe.

Auch von der bisher üblichen „Szene-Rhetorik“ und dem einschüchternden Auftreten will Apfel abrücken. Die Botschaft der NPD müsse im ganzen Volk verstanden werden. Vor „systemüberwindenden Lösungsvorschlägen“ dürfe jedoch nicht halt gemacht werden. Auch vom Verfassungsschutz und den Medien dürfe sich die Partei deswegen nicht einschüchtern lassen.

Von diesem lediglich äußerlich neuen Anstrich der Partei hält Voigt wenig. Die Diskussion um die „seriöse Radikalität“ sei Schwachsinn: „Wir machen genau das schon seit mehr als zehn Jahren.“ Aufgeben will er deswegen auf keinen Fall. „60 Prozent der Delegierten stehen hinter mir“, gibt sich Voigt siegessicher, der sich vor allem auf die Landesverbände in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hamburg stützen kann.

Besonders der einflußreiche Thüringer Landeschef Frank Schwerdt hat sich sehr deutlich für Voigt ausgesprochen: „Wenn die in diesem Jahr stattgefundenen Wahlen nicht die erhofften Ergebnisse gebracht haben, wird das nicht besser, wenn der Vorsitzende ausgewechselt wird.“ Der Parteijustitiar gilt als Schlüsselfigur in der Partei und wird auch von Apfel, der ihm einen Posten im Bundesvorstand angeboten hat, heftig umworben. Nur in einem Punkt sind sich die Kontrahenten einig: Eine Spaltung der NPD müsse in jedem Fall verhindert werden. Während Apfel darauf hofft, daß die Delegierten die „primitive und ins persönliche abgleitende Auseinandersetzung“ beenden, ist sich Voigt sicher, daß der Pastörs-Flügel nach seiner erneuten Niederlage endlich Ruhe gibt. Versöhnung klingt anders.

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