© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/11 / 04. November 2011

Blick in die Medien
Nächste Runde im Streit um Netzzensur
Toni Roidl

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder, hat schon einmal, unbekümmert von technischem Detailwissen, Internetsperren für Urheberrechtssünder gefordert und damit viel Heiterkeit in der Internet-Gemeinschaft ausgelöst (JF 41/11). Jetzt hat er wieder zugeschlagen.

In der Süddeutschen Zeitung hatte Kauder seine Internetsperre durch einen Vergleich mit Verkehrssündern erläutert: „Wer im Straßenverkehr nicht ordentlich fährt, bekommt auch den Führerschein abgenommen und kann dann nicht einfach mit einem anderen Auto fahren.“ Mit einer ähnlich seltsamen Logik will Kauder nun das Web 2.0 aufräumen.

Erbost ist der 62jährige über anonyme Blogs und Kommentare im Internet. Kauder sagte: „Es geht nicht, daß es möglich ist, im Internet anonym zu publizieren. Das muß aufhören. Das geht nicht!“ Und auch dafür zieht er einen analogen Vergleich heran: „Bei jedem Leserbrief an die Lokalzeitung müssen Sie ihren Namen dazuschreiben.“ Aha.

Die (ebenso schiefe) Entgegnung der Interviewerin Mirjam Hauck, Demonstranten müßten keine Namensschilder tragen, kontert Kauder mit einer weiteren, originellen Belehrung: „Das ist etwas anderes. Die Demonstranten gehen anschließend wieder nach Hause. Aber das Internet ist ein Raum, in dem alles stehenbleibt.“ Ach was.

Im Jargon der SZ müßte so etwas eigentlich als „krude Thesen“ bezeichnet werden. Doch Kauder droht damit, sich fürderhin auf „netznahen Politikfeldern“ zu betätigen. Auweia. Es läßt sich an den Fingern abzählen, daß die anonymen Publikationen, die nach Kauders Ansicht aufhören müssen, insbesondere konservative und islamkritische Inhalte wären. Da sind die von Kauder zitierten Lokalzeitungen allerdings schon weiter: In Online-Zeitungen werden entsprechende Leserkommentare nicht selten gelöscht oder die Kommentarfunktion gleich abgeschaltet.

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