© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/11 / 04. November 2011

Zeitschriftenkritik: Etappe
Quer zum Hauptstrom
Herbert Ammon

Günter Maschke und Heinz-Theo Homann, die Herausgeber der Etappe, sind bestrebt, Lagergrenzen zu ignorieren. Zu den bisherigen Autoren zählte nicht nur der CDU-Politiker Peter K. Krause, der unter anderem deswegen in Thüringen nicht Kultusminister werden durfte, sondern auch Manfred Lauermann, Mitglied der Historischen Kommission der Linkspartei. In der jüngsten Ausgabe sind Namen wie Wolfgang Matthias Schwierdzik und Axel Matthes zu finden.

Das Heft ziert vorne ein Foto einer Frau in Tracht mit Gebetbuch, auf der Rückseite eine Andy-Warhol-Ikone mit vollem Einkaufswagen. Die Zeitvermessung der Etappe signalisiert das Verschwinden der Kultur Europas durch Selbstaufgabe seines Kernlandes – ein elegischer Grundton, verständlich im Zeichen von Globalisierung und universalistischer Ideologie. Doch warum leistet sich Homann den Gag, auf den Umschlaginnenseiten eine Passage zum „Völkerringen“ aus „Mein Kampf“ zu präsentieren? Ironie kommt bei Inquisitoren mit Sicherheit nicht an.

Sven Knebels einleitender „GermanCall“ gilt den neuesten Hervorbringungen der Politischen Korrektheit. Die Grüne Steffi (nicht Jutta) Lemke öffnete in einer Berliner Politshow ihr Herz für die „kleinen Frauen und Männer“, weil’s die kleinen Leute nicht mehr geben darf. Danach begibt sich der Genetiker und Genealoge Volkmar Weiss mit einer emphatischen Widerlegung der Fiktion universaler Gleichheit angesichts maßgeblich genetisch bedingter IQ-Ungleichheit ins „rechte“ Abseits, zumal er den wissenschaftlichen Freiraum heute für geringer erklärt als zu späten DDR-Zeiten. Entrüstung wird Josef Schüßlbürner („Staatliche Transzendenz in der BRD“) ernten, der die zivilreligiöse Umdeutung des Gottesbezugs im Grundgesetz zugunsten eines vermeintlichen „Abrahamismus“ attackiert. Gernot Hüttigs „Gegenwartsgedanken zu Hans Grimm“ liegen nicht minder quer zum Mainstream.

Hervorzuheben ist ein Vortrag, den Schwierdzik, Mitbegründer der Berliner Schaubühne, im Schillerjahr 2005 vor der Stiftung Adam von Trott in Imshausen zu „Wallenstein“ hielt, sowie der Aufsatz von Winfried Knörzer, der den umfassenden Sinnverlust der Moderne, von Religion über Geschichtsphilosophie bis hin zur Psychoanalyse diagnostiziert. Unter den Trouvaillen („Zur Wiedervorlage“) erheitert ein Text von Friedrich Engels, der im Hinblick auf den „Gründungsschwindel in England“ (1871) erklärt, daß immer die „kleinen Leute, die ihre Ersparnisse in diesen ‘äußerst soliden und vorteilhaften’ Unternehmungen anlegen, am Ende die Geprellten sind“.

Abgerundet wird das Heft von Gedichten des 1937 aus Deutschland in die USA emigrierten Hans Schiebelhuth (1895–1944), eines heute vergessenen Dichters. Er war befreundet mit Karl Wolfskehl und Franz Usinger, verkehrte mit Johannes R. Becher und Carl Zuckmayer, und stand dem George-Kreis nahe. Nicht aus allen Poemen dringt die Tristesse des Novemberlandes. Das ist tröstlich.

Kontakt: Etappe. Postfach 30 04 24, 53184 Bonn. Das Einzelheft kostet 12 Euro.  www.etappe.org

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