© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/11 / 04. November 2011

Bei der Bad Bank der HRE wurden 55,5 Milliarden falsch verbucht
Im Tal der Ahnungslosen
Markus Brandstetter

Wer einen Pfandbon von 1,30 Euro klaut, wird entlassen. Einem Finanzminister mit Geburtsrecht auf alemannische Cleverness wird hingegen verziehn – auch wenn in dessen Verantwortlichkeitsbereich die größte Buchungspanne aller Zeiten passiert. Denn erstens sind Milliarden in Billionenzeiten eine Bagatelle, zweitens ist es nicht seine Schuld, und drittens hat man nichts gewußt. Klingt wie ein Märchen? Doch die Geschichte ist wahr.

Begonnen hat das alles 2005, als die italienische Unicredit die Hypovereinsbank (HVB) übernahm. Der Schwerpunkt der Münchener Traditionsbank lag auf Privatkunden und Mittelständlern. Das Kerngeschäft war ertragreich, langweilig und solide, aber die Vorstände verhoben sich aus Hybris und Gier mit faulen Immobilienkrediten beim Aufbau Ost. Als die Krise abzusehen war, wurde die HVB herausgeputzt und an die Italiener verhökert.

Die wollten aber von den östlichen Tretminen nichts wissen, weshalb die Bayern ihre Schrottimmobilien schon 2003 als separate Hypo Real Estate (HRE) an die Börse gebracht hatten. Vier Jahre lang fiel keinem auf, daß da ein toter Wal im Wasser trieb. Die HRE-Vorstände versicherten bis zuletzt, daß die Geschäfte prächtig liefen, obwohl das Schiff längst am Sinken war. Im Februar 2008 war die Fahrt zu Ende, die HRE-Aktie keinen Pfifferling mehr wert, fünf Milliarden Euro an Aktienkapital vernichtet. Und wieder einmal mußte ein Dummer gefunden werden, der für die Verluste einstand, und da diese riesengroß (50 Milliarden Euro nach aktuellen Schätzungen) und die angehäuften Kredite auf Jahrzehnte hinaus toxisch sind, kam nur ein Dummer dafür in Frage: der Steuerzahler, was angesichts der Lehman-Pleite nun „alternativlos“ war. 2009 wurde die HRE als erste deutsche Bank seit 1949 verstaatlicht.

Unfaßbare 142 Milliarden Euro an Garantieleistungen und fast acht Milliarden an Rekapitalisierung hat die HRE bislang vom Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) in Anspruch genommen. Das ist dreimal soviel wie die gesamten Schulden von Baden-Württemberg. Extra wegen der HRE mußte 2010 dann die FMS Wertmanagement gegründet werden, eine Deponie für Schrottpapiere, die den Steuerzahler noch teuer zu stehen kommen wird.

Und bei dieser „Bad Bank“ hat man sich nun beim Buchen der Schulden um 55,5 Milliarden Euro verrechnet, hat angeblich Brutto mit Netto verwechselt, die Computer falsch gefüttert, was keinem, weder der HRE noch den teuren Wirtschaftsprüfern von PricewaterhouseCoopers noch den Kontrollgremien des Ministeriums, aufgefallen ist. Und Wolfgang Schäuble wußte von dieser Fehlbuchung natürlich genausowenig wie damals von den schwarzen Kassen der CDU. Auch wenn man sich dieses eine Mal zugunsten der Staatskasse verrechnet hat – wer kann solchen Buchhaltern denn noch trauen?

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