© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/11 / 04. November 2011

„Wir erleben die schiere Feigheit“
Interview: Der Militärhistoriker Martin van Creveld antwortet auf die Vorwürfe des AStA und der Universität Trier gegen ihn
Moritz Schwarz

Herr Professor van Creveld, am erstaunlichsten ist sicher der Vorwurf, Sie seien „latent anti-israelisch“.

Creveld: Das zeigt, daß die Leute, die ihn erheben, offenbar gar nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben.

Allerdings haben Sie in Interviews und Gastbeiträgen für Medien rund um den Globus immer wieder Israel kritisiert.

Creveld: Natürlich, aber wie schon Simone de Beauvoir schrieb, sind es oft diejenigen, die ihr Land am meisten lieben, die es auch mal kritisieren. Wissen Sie, bevor meine Familie 1950 nach Israel kam, wurde sie in der NS-Zeit verfolgt. Ich lebe nur, weil es meinen Eltern gelang, den deutschen Besatzern und ihren niederländischen Helfern zu entkommen, während einige meiner Verwandten im KZ ermordet wurden. Deshalb ist die Sicherheit, heute in einem Staat Israel leben zu können, für mich sehr wichtig.

Sie sehen sich selbst als israelischen Patrioten.

Creveld: Ja, ich lebe in Israel seit meinem vierten Lebensjahr, es ist meine Heimat. Deshalb nährt der Vorwurf, ich wäre „anti-israelisch“ bei mir den Verdacht, daß die Leute vom AStA komplette Idioten sind: Denn er läßt sich doch nur damit erklären, daß sie nicht wissen, daß ich Israeli bin – also keine Ahnung von mir haben.

Von den fünf Vorwürfen des AStA hat die Uni sich allerdings nur zwei zu eigen gemacht, nämlich: Unwissenschaftlichkeit ...

Creveld: Na ja, wissen Sie, ich glaube, 22 Bücher, veröffentlicht in zahlreichen Sprachen, sprechen für sich.

Zunächst rühmte sich die Uni noch, sie habe mit Ihnen eine „Koryphäe“, einen „berühmten“ und „weltweit führenden Experten für Militärgeschichte“ gewonnen, tätig an „internationalen Militärakademien, zivilen Militär- und Kriegsforschungsinstituten, (der) zudem Verteidigungsministerien mehrerer europäischer und außereuropäischer Staaten beraten (habe).“

Creveld: Und ich könnte noch zahllose TV-Auftritte, Gastartikel und Interviews weltweit anführen, aber lassen wir das.

Der zweite Vorwurf der Uni lautet Frauenfeindlichkeit. Zum Beispiel sollen Sie in Ihrem Vortrag gesagt haben: „Viele Frauen genießen es, dabei zuzuschauen wie Männer sich abschlachten.“

Creveld: Ja, von eh und je hat es Kriegsspiele gegeben, bei denen auch Frauen zugeschaut haben. Wir wissen, daß etwa die römischen Gladiatoren von vielen Frauen regelrecht angehimmelt wurden. Tertullian schreibt: „Männer geben ihre Seele an die Gladiatoren, Frauen beides, Ihre Seele und ihren Körper.“ Sieger werden von Frauen verehrt, selbst wenn sie der Feind sind: Ob die deutschen Soldaten 1940 in Paris oder 1945 die US-Soldaten in Deutschland. 1966 verzweifelten die Leibwächter des Box-Champions Muhammad Ali daran, ihm die Frauen vom Leib zu halten. Diese stiegen sogar über die Dächer seiner Hotels ein! Meine These lautet daher: Ohne die Anhimmelung des Kriegers durch die Frauen, hätte es in der Geschichte weit weniger Kriegsspiele und vielleicht sogar weniger Kriege gegeben.

Welche Rolle spielte der Umstand, daß Sie sporadisch in dieser Zeitung schreiben, für Ihre Relegation?

Creveld: Das kann ich nicht sagen, jedenfalls wurde es mir gegenüber als schwerwiegender Vorwurf dargestellt.

In der Erklärung der Uni taucht dieser Vorwurf des AStA jedoch nicht mehr auf.

Creveld: Das stimmt, wie gesagt. Ob das zu neunzig, zu fünfzig oder zu zehn Prozent beigetragen hat, weiß ich nicht.

Nach Ihrem Vortrag haben Sie die JUNGE FREIHEIT vor dem Auditorium gelobt.

Creveld: Ich wurde von einem Zuhörer ganz neutral auf einen Artikel angesprochen, den ich wenige Tage zuvor bei Ihnen veröffentlicht hatte. So habe ich mich kurz dazu geäußert, nicht ohne zu erwähnen, wie qualitativ gut ich die Zeitung finde, auch wenn sie in vielem nicht meiner Meinung entspricht.

Inwiefern?

Creveld: Ich bin liberal, Ihre Zeitung konservativ, ich bin Atheist, sie christlich orientiert. Und als vom Holocaust Betroffener bin ich auch nicht ganz sicher, ob ich über Ihren Versuch, Deutschland wieder zu einer Nation wie alle anderen zu machen, wirklich glücklich bin. Aber ich bin, wie gesagt, liberal, für mich ist Freiheit das Allerwichtigste. Ich glaube an Diskussion und Meinungsaustausch – das ist Demokratie, das ist Toleranz.

Gab es im Auditorium Protest gegen Ihr Lob für die JUNGE FREIHEIT?

Creveld: Nein.

Wie erwähnt sind Sie ein auf allen fünf Kontinenten gefragter Experte. Wurden Sie zuvor schon einmal so behandelt?

Creveld: Nein. Sicher gibt es immer mal Widerspruch und auch Vorwürfe, so etwas bleibt nicht aus, wenn man im Laufe seines Lebens vor Zigtausenden Leuten spricht. Aber dann wird diskutiert. Nicht so hier in Trier – statt einer Debatte kommt ein Kündigungsschreiben.

Die Universität hat nicht zuvor das Gespräch mit Ihnen gesucht?

Creveld: Nein.

Was ist mit dem alten lateinischen Rechtsgrundsatz „audiatur et altera pars“: Es ist immer auch die andere Seite zu hören?

Creveld: Tja, offenbar hat die Uni zu viel Angst vor ein paar Studenten. Wir erleben die schiere Feigheit – armes Deutschland, wenn das der akademische Standard hierzulande ist.

Die Uni gibt an, man habe sich in „beiderseitigem Einvernehmen“ getrennt?

Creveld: Na ja, wissen Sie, wo man mich nicht mehr will, da möchte ich auch nicht bleiben.

 

Prof. Dr. Martin van Creveld, geboren 1946 in Rotterdam, ist Emeritus der Hebräischen Universität Jerusalem

www.martinvancreveld.com

 

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