© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/11 / 28. Oktober 2011

„Rocky“ des Roboter-Zeitalters
Science-fi ction: „Real Steel“ von Shawn Levy erzählt auch eine Vater-Sohn-Geschichte
Claus-M. Wolfschlag

In naher Zukunft tingelt der ehemalige Profi-Boxer Charlie Kenton (Hugh Jackman) durch Amerika, um sich als Boxpromotor seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Doch er betreut keine menschlichen Kämpfer, sondern Maschinen. Durch die Wünsche des Publikums nach immer spektakulärerem Entertainment nämlich geriet der menschliche Boxsport ins Hintertreffen, während nun kreativ gestaltete Roboter in den Sporthallen gegeneinander antreten.

Doch dieses Science-fiction-Element ist nur ein Aufhänger für eine dahinter liegende Geschichte, in der es um das sportliche und familiäre Comeback eines Gescheiterten geht. Kenton ist von einer Pechsträhne verfolgt, verliert Kämpfe und Geld. Gläubiger sind ihm auf den Fersen, als er erfährt, daß seine ehemalige Lebenspartnerin verstorben ist. Er muß vor Gericht erscheinen, um das Sorgerecht für seinen elfjährigen Sohn Max (Dakota Goyo) zu klären, den er viele Jahre nicht gesehen hat. Für den Sommer soll der Junge bei ihm unterkommen, doch beide fremdeln miteinander. Vom Job des Vaters ist der Junge indes schnell begeistert. Auf einem Schrottplatz gräbt Max ein sehr altes Roboter-Modell aus und richtet es gemeinsam mit seinem Vater her. Da der Roboter „Atom“ technisch unterlegen ist, glaubt Charlie Kenton nicht, daß dieser eine Chance bei Wettkämpfen hätte. Doch mittels guter Steuerung gelingt es den beiden, in kleinen Schaukämpfen zu siegen, um schließlich gar im Hauptkampf gegen den derzeitigen Champion zu stehen.

„Real Steel“ ist zwar ein Science-fiction-Film, eine Art „Rocky“ des elektronischen Zeitalters. Da aber die Handlung nur geringfügig in die Zukunft verlegt wurde, sind die futuristischen Veränderungen gegenüber der Gegenwart auf ein Minimalmaß reduziert. So dient das Science-fiction-Element eigentlich nur als Augenkitzel für eine Vater-Sohn-Geschichte. Leider allerdings geht der Film diesen Weg nicht mit letzter Konsequenz. So bleibt er durch die Wiederaufnahme zahlreicher Klischees dem Action-Genre verhaftet, sei es beim stereotyp agierenden Publikum oder bei der eiskalt inszenierten russischen Boxpromoterin und deren japanischem Programmierer. Den Nebenfiguren fehlt leider charakterliche Tiefe.

Zudem verhält sich Charlie Kenton – wie fast alle der Roboter-Steuerer – äußerst unprofessionell. Ein Profi würde sich in einem solchen hart umkämpften Geschäftszweig nicht während eines Kampfes von Gesprächen ablenken lassen, noch nach Frauen schielen, noch das Kampffeld aus dem Blick lassen oder infantil herumschreien. All diese unrealistischen Momente sollen die Kämpfe jugendgerecht präsentieren, beispielsweise durch das Ausdrücken von Emotionen wie expressive Gesten. Bleibt zuletzt ein Vater-Sohn-Konflikt, der seine ganzen Möglichkeiten verschenkt. Der Junge scheint frühreif, wirkt respektlos und ist irgendwann nur noch von seinem Roboterkampf eingenommen. Max ist eindeutig ein Kind der Computerspiel-Generation, insofern auch ein Spiegelbild der Zielgruppe des Films. Vom kurz vorher passierten Tod der Mutter erfährt man nichts, auch nicht über das Verhältnis Charlie Kentons zu dieser Frau. Nach einer derart traumatisierenden Erfahrung und einem unerklärlich zerrütteten Familienzusammenhang wäre indes eine Klärung der Geschehnisse von Bedeutung gewesen.

Daß man sich als Zuschauer überhaupt mit diesen Fragen zu den Figuren beschäftigt, zeigt immerhin, daß die anderen Elemente dieses Films ausgesprochen gelungen sind und funktionieren. Somit hätte „Real Steel“ das Potential zu einem richtig großen Film gehabt. Es wäre ein zwischenmenschliches Drama entstanden, das in der nahen Zukunft spielt. Dazu hätte man indes Klischees vermeiden und den Figuren viel mehr Raum für ihre charakterliche Entwicklung lassen müssen. Möglicherweise hätte das aber schwerer in das Konzept massentauglicher Verwertung gepaßt. So ist aber immerhin ein hinsichtlich der Optik sehenswerter und durchaus gelungener Unterhaltungsfilm entstanden.

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