© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/11 / 28. Oktober 2011

CD: G. Noeldeke
Dunkler Belcanto
Sebastian Hennig

Innerhalb der Instrumentenklasse der Chordophone ist der Kontrabaß äußerlich das auffälligste. Klanglich bewegt er sich zumeist im Hinter- und Untergrund der musikalischen Texturen. Der Kontrabassist und Komponist Georg Noeldeke holt die große Baßgeige jetzt aus ihrer mürrischen Reserve und stellt sie vor als eine Stimme des „Belcanto“.

Diesen herausfordernden Titel wählte er für seine Einspielung von klassischen und eigenen Kompositionen. Ein Ricercare, welches der Cellist Domenico Gabrielli „per basso solo“ bestimmte und damit sein eigenes Instrument adressierte, wird von Noeldeke als Herausforderung für die dunklere Klangfarbe angenommen. In diesem Opus des Venezianers hatte das Violoncello seinen ersten Soloauftritt. Alle anderen Stücke der Platte wurden eigens für den Kontrabaß komponiert und beweisen, daß der viersaitige Brummer alle Aufschwünge der neueren Musikentwicklung mit eigensinniger Anteilnahme bewältigt hat.

Dabei forderten vor allem die Fertigkeiten hervorragender Instrumentalisten die Tonsetzer zu ungewöhnlichen Exempeln heraus. Das Kontrabaß-Konzert des Johann Baptist Vanhal entstand für den Virtuosen Johann Matthias Sperger. Der versöhnliche Frohsinn läßt es uns verwinden, daß Haydns Konzert für dieses Instrument bis heute als verschollen gilt. Der Baß gebärdet sich wie ein munterer Greis, den die helle Klavierstimme zuletzt zu übermütigen Tanzsprüngen herausfordert. Ob dieser Verführung zur bedingungslosen Heiterkeit wird verständlich, daß den zeitgenössischen Kritikern Mozarts Musik wie ein „dunkler Tannenwald“ erschienen ist. Der Cellist Vanhal teilte sich mit dem Bratscher Mozart die tiefen Töne zu den Quartett-Konzerten, die zuweilen gemeinsam mit den Geigern Haydn und Dittersbach in Wien zur Aufführung gelangten.

Ein Jahrhundert später ging Giovanni Bottesini in die Musikgeschichte ein als der Leiter der Uraufführung von Verdis „Aida“ in Kairo. Als reisender Virtuose hat er seinem Instrument Geltung verschafft. Er bereicherte die Kontrabaß-Literatur erheblich und strebte dabei dem Klangideal des Belcantos eines Bellini nach. Nach seinem h-Moll-Konzert erklingt eine Tarantella, deren Gelöstheit noch mehr für die speziellen Tugenden dieser Instrumentenstimme einzunehmen vermag.

Bottesini ist der Schutzpatron der Kontrabassisten. So ist nach ihm auch eine Bogenform benannt. Folgenreicher war freilich, daß er auf den Einfall kam, das Instrument eine Quarte höher zu stimmen. Das ist seither üblich geworden, um dem Baß bei solistischen Darbietungen die nötige Eindringlichkeit zu verschaffen. So spielt Georg Noeldeke auf einem Instrument mit der Stimmung Fis-H-E-A. Zu den Konzerten begleitet ihn Lothar Arnold am Klavier.

Schließlich erklingen drei Solostücke vom Beginn unseres Jahrhunderts. Georg Noeldeke hat seine Einzelwerke zu einer Art Sonate zusammengefaßt. Dräuende bis wohlige Klanglandschaften werden gezeichnet. Der dunkelzähe Ton der gestrichenen Saiten wird durch verschiedene Battuto-Stricharten erweitert und gelockert, wobei das Bogenholz die Saiten anschlägt. Noeldeke ist vorwiegend in der Alten Musikszene tätig und spielt als festes Mitglied im Karlsruher Barockorchester und der La Banda Augsburg.

Georg Noeldeke / Lothar Arnold: Belcanto – Musik für Kontrabass Antes/Bella Musica, 2011 www.bella-musica-edition.de

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