© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/11 / 28. Oktober 2011

Parteiprogramm aus dem Radio
Junge Union: Auf dem Deutschlandtag läßt sich der Nachwuchs der CDU/CSU von Angela Merkel um den Finger wickeln
Hinrich Rohbohm

Dumpf dröhnt die Musik von Antifa-Gruppen über den Braunschweiger Altmarktplatz. Sie seien gekommen, um zu stören, kreischt eine Stimme durch den Lautsprecher einem verlorenen Häuflein von etwa 50 zumeist schwarz gekleideten Linksextremisten entgegen.

Stören wollten sie den Deutschlandtag der Jungen Union, den die CDU-Nachwuchsorganisation am vergangenen Wochenende in der südostniedersächsischen Löwenmetropole abhielt. 317 Delegierte und rund 1.000 Gäste hatten sich in der Stadthalle von Braunschweig eingefunden. Allesamt „reaktionäre Spinner“, deren Organisation „ganz klar für rassistische und nationalistische Positionen“ stehe und damit einen „Angriff auf das schöne Leben“ darstelle, ist die Antifa überzeugt, die die mit 124.000 Mitgliedern größte politische Jugendorganisation in Europa zudem als „Ensemble der geistig Verwirrten“ bezeichnet und der sie mit ihrer Demo einen heißen Empfang bereiten wollte.

Doch das ist nicht der Grund, daß in dem sonst eher frostigen Klima zwischen Angela Merkel und der JU Tauwetter eingekehrt ist. In dieser schwierigen Phase der Euro-Krise stehe der Nachwuchs der Union hinter der Kanzlerin, sichert JU-Chef Philipp Mißfelder der Regierungschefin seine Solidarität zu. Worte, die Merkel aus den Reihen der Jungen Union in jüngster Vergangenheit selten zu hören bekam. Schließlich hatte die Kanzlerin ihren Polit-Nachwuchs vor zwei Jahren mit dem Verweis auf schwierige Koalitionsverhandlungen versetzt. Ein Vorgang, der bei der JU übel aufgestoßen war. Schließlich hatte man mit Merkel über das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl reden wollen. „Vor zwei Jahren hatten wir wenig Verständnis dafür“, meint Mißfelder in Richtung Kanzlerin. Aber: Angesichts der aktuellen Euro-Krise hätte die JU der Regierungschefin ein Fernbleiben durchaus nachgesehen, sorgt Mißfelder für Entspannung zwischen Kanzlerin und JU. „Die Verunsicherung in der Union ist groß“, meint Mißfelder mit Blick auf die Euro-Krise.

Denn hinter den Kulissen brodelt es. „Alles schön und gut, aber so kann es mit der CDU nicht mehr weitergehen“, schimpft ein JU-Delegierter im Foyer der Stadthalle. „Was die Union momentan an Politik zustande bringt unterscheidet sich kaum noch von Rot-Grün“, raunen sich einige JU-Leute zu. Und fragen sich, ob Merkel nicht gar maßgeblich dazu beitrage, daß Deutschland immer mehr Kompetenzen nach Brüssel abgebe. Ein Delegierter will das genau wissen, fragt Merkel aus dem Plenum heraus, ob sie Europa künftig als europäischen Staatenbund oder europäischen Bundesstaat sehe. Die Kanzlerin weicht aus. „An manchen Stellen brauchen wir mehr Europa und an manchen weniger“, entgegnet sie. Angesichts der Tatsache, daß die JU auch den Fluchthelfer und Widerstandskämpfer Wolfgang Welsch eingeladen hatte, kommt Merkel auch auf die DDR zu sprechen. Sie erzählt der JU davon, wie sie als Siebenjährige ein letztes Mal mit ihrer Großmutter über die Berliner Sektorengrenze gegangen war. „Danach konnten wir jahrzehntelang nicht mehr in den Westen“, schildert sie. Daß sie selbst zu DDR-Zeiten mehrfach in die Bundesrepublik reisen durfte, ihr Vater in den siebziger Jahren des öfteren in westeuropäischen Staaten zu Gast war und ihre Mutter gar nach Amerika reisen durfte, erwähnt sie nicht.

Nur vereinzelt kommt Kritik von den Delegierten. Ein JU-Kreisvorsitzender ergreift das Wort, beklagt das mangelnde Profil der Mutterpartei. Früher habe er seinen Mitgliedern genau sagen können, wofür die CDU stehe. Heute müsse er dafür das Radio einschalten, um zu wissen, welche Position die Union gerade vertrete. „Sie müssen mir mal den Sender verraten, den Sie einschalten, wenn sie hören, was die CDU denkt“, kontert Merkel und hat die Lacher auf ihrer Seite.

Dennoch ist von nicht wenigen JU-Funktionären zu hören, daß sie froh seien, wenn die Ära Merkel endlich vorbei sei. JU-intern wird bereits über mögliche Nachfolger spekuliert. Einer davon könnte der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister sein. Der Sohn eines schottischen Offiziers, der selbst 20 Jahre lang bei der JU in verschiedenen Funktionen wirkte und dessen launige Reden bei der JU Kultstatus genießen hält sich betont zurück, will Merkel offenbar nicht die Schau stehlen. Kräftigen Applaus gibt es trotzdem.

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