© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/11 / 28. Oktober 2011

Mathias Brodkorb kämpft „gegen Rechts“ – aber anders als andere. Nun wird er Minister.
Der Solitär
Thorsten Hinz

Der 34jährige SPD-Politiker Mathias Brodkorb aus Rostock eilt 2011 von Erfolg zu Erfolg. Er wurde Vater einer Tochter, schaffte den Durchbruch in die überregionalen Medien und verteidigte im September seinen Landtagssitz in Schwerin. Nun ist er am Dienstag dort Kultus- und Bildungsminister geworden: Eine Karriere, zu der Fleiß, Intelligenz und Kalkül gleichermaßen beigetragen haben.

Neben seiner Tätigkeit als Landespolitiker hat sich Brodkorb bundesweit als Experte für das politische Spektrum rechts der Mitte profiliert (siehe auch Seite 15). Allerdings steht der „Gegen Rechts“-Kämpfer zu den sonst einschlägigen Aktivisten dieser Szene in vielem erstaunlich quer. So avancierte Brodkorbs Internet-Plattform „Endstation Rechts“ zum Geheimtip, weil sie, wenn auch aus sozialdemokratischer Sicht, überraschend differenziert über die Alte und Neue Rechte, über Ethnopluralismus und Vergangenheitspolitik informierte und diskutierte. Im November 2008 forderte Brodkorb gar, ausgerechnet in der Süddeutschen Zeitung in einem ganzseitigen Gastbeitrag unter der Überschrift „Der metaphysische Nazi“, die politische Duldung einer demokratischen Rechtspartei – mit dem cleveren wie unabweisbaren Argument, diese würde die Union schwächen und die SPD stärken.

Die Berliner Parteizentrale, die Antifa-Szene und die Politikwissenschaft zeigten sich von seinen dialektischen Volten überfordert. Ihr Mißtrauen hat Brodkorb kompensiert mit der satirischen, eigentlich aber infantilen Aktion „Storch Heinar“ – ein Anagramm der Modemarke Thor Steinar, einem Zielobjekt von Verfassungsschützern und Antifa-Aktivisten. Dieser Storch, ein gezeichneter Adebar mit Hitlerbärtchen, wurde im Wahlkampf ironisch neben NPD-Plakaten plaziert. Die Presse war begeistert, der Zweck damit erfüllt – doch Brodkorb mußte, um als Politiker im Spiel zu bleiben, sich damit in Selbstwiderspruch zur sonstigen Differenziertheit begeben und gegen seine politische Ethik verstoßen. Denn damit hat sich der sonst Geradlinige dem „ideologisch-politischen Notstand des nicht förmlich ausgesprochenen Quasi-Verbots politischer Konkurrenz“ (Josef Schüßlburner) unterworfen.

Geboren wurde Brodkorb 1977 in Rostock. Mit 14 Jahren begann er Karl Marx zu lesen. Von der Lektüre elektrisiert, trat er 1994 der PDS bei. Ideologisch abgekühlt, wechselte er 1997 zur SPD. In Rostock studierte er Philosophie und griechische Philologie. 2002 wurde er erstmals in den Landtag gewählt, wo er sich mit Bildungspolitik befaßte.

Als Minister wird er vor allem Rückbau, Fusionen und Niveausenkung betreiben müssen. Verträgt sich das mit den Ansprüchen des Platon-Verehrers? Oder spekuliert er etwa darauf, bald nicht mehr administrativ in der Provinz, sondern konzeptionell in Berlin, in einem Planungsstab, zu arbeiten und dem Mangel an klugen Köpfen dort abzuhelfen?

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