© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/11 / 28. Oktober 2011

Euro-Rettung
Daniel Düsentrieb wäre neidisch
Dieter Stein

Der Bundestag wird nach Redaktionsschluß dieser Zeitung aller Voraussicht nach an diesem Mittwoch seine Zustimmung gegeben haben, daß der Euro-Rettungsschirm EFSF von 440 Milliarden auf eine Billion aufgepumpt wird. Durch einen sagenhaften „Hebel“, der – so sagen sogenannte Fachleute – sogar eine wundersame Ausdehnung auf 4 bis 5 Billionen und mehr möglich machen würde. Daniel Düsentrieb und Baron Münchhausen würden vor Neid erblassen.

Bemerkenswert ist der Fatalismus, die Gemütsruhe, mit der die Deutschen auf all das reagieren. Massenproteste und Schlangen vor Banken sind nicht in Sicht. Obwohl die Bundesregierung der Nation solche schon lange jede Vorstellungskraft und alle historischen Vergleiche sprengenden wahnwitzigen Verpflichtungen für Generationen aufhalst, herrscht gespenstische Ruhe. Das Leben geht weiter, fast ist es, als seit mittlerweile die Schwelle überschritten, hinter der noch irgend jemand durch irgendeine Summe zu erschüttern sei. Längst ist eine Überforderung erreicht – vornweg bei den Volksvertretern, die einen Tag vor der Abstimmung telefonbuchstarke Vertragstexte erhalten, über die sie 24 Stunden später – quasi unter vorgehaltener Pistole – abstimmen sollen. Durchlaufen harmloseste Gesetze viele Lesungen im Bundestag, so wird die Verpfändung deutschen Volksvermögens durchgewunken, als befänden wir uns im Krieg. Gerissen die Taktik der Kanzlerin, die Abgeordneten in einer Koalition mit SPD und Grünen erneut abstimmen zu lassen und das Ganze nicht in den Haushaltsausschuß zu delegieren: Jeder soll mit in die politische Haftung genommen werden!

Die Bundesregierung ist einer Erpressung gemäß Salamitaktik erlegen, bei der die Dosis der Forderungen schleichend erhöht wird, und sie hat sich auf Handlungen eingelassen, die an Schillers Wallenstein erinnern: „Das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie, fortzeugend, immer Böses muß gebären.“ Und so zieht die Milliarde die Billion nach sich. Alles wird auf eine Karte gesetzt in einem geldpolitischen Höllenritt, bei dem nichts weniger als die Reste deutscher Souveränität auf dem Spiel stehen, bis es heißt: Rien ne va plus.

Man glaubt mit der „Bazooka“ – so nennen die Euro-besessenen Kraftmeier in Brüssel und Berlin den aufgepumpten ESFS – „die Märkte“ besiegen zu können, böse Spekulanten, die gegen das Wunderwerk europäische Einheitswährung wetten. In Wahrheit befeuern sie die Spekulation, indem sie „den Markt“ mit billigem und immer mehr „frischem“ Zentralbankgeld „fluten“, als verdoppelte man einem Alkoholiker die Schnapsration, anstatt ihm den Stoff zu entziehen. Tatsächlich reagieren die Deutschen: Die Flucht in Sachwerte steigt – der Markt läßt sich nicht ausschalten. Die Erkenntnis wächst, daß man Papiergeld nicht essen kann.

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