© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

Der Flaneur
Du bist so stark wie dein Netz
Felix Springer

Standardsituation Supermarktkasse: Als einer von täglich Tausenden Endverbrauchern plaziere ich meine zusammengesammelten Bedürfnisse auf dem sensorgesteuerten Verschiebegummi. Der Kunde vor mir verzögert seinen Bezahlvorgang durch ein gleichzeitiges, sehr leidenschaftliches Telefongespräch. Unterbrochener Netzempfang beendet die Verzögerung, grimmig aber hilflos flüchtet er aus dem Containerbau zurück in sein Funknetz.

Derweil staple ich meine Zivilbeute wieder zusammen und will deren digitalen Gegenwert per Plastikchip dem Markt übereignen, aber die Maschine verweigert sich meinem Angebot und antwortet mit einem ungnädigen Blinken. Ich schlage dem Personal vor, das Gerät der Nachbarkasse zu verwenden, aber das, so informiert man mich, geht nicht: Die beiden Geräte sind nicht vernetzt. Also zahle ich mit Papier.

Auf dem Weg zum Ausgang spricht mich ein älterer Herr an, ob er mir einige Fragen zu meinem Einkaufserlebnis stellen dürfe. Der Endverbraucher in mir ist erfreut über diese Anerkennung seiner Konsumentenmündigkeit und nimmt sich die Zeit. Ich soll meine Zufriedenheit mit den verschiedenen Abteilungen in eine Skala von eins bis fünf einsortieren, der Frager übermittelt die Antwortnummern dann über eine elektronische Tabelle direkt an ein zentrales Auswertesystem.

Ich meine, man solle neben dem Pfandautomaten einen Mülleimer aufstellen, es sei dort immer schmutzig. Der Mann sieht das auch so, weiß aber nicht, wo das in der Tabelle hingehört. Wir begutachten das Fragesystem, aber es hat keine Untertabelle für Mülleimer und mein Vorschlag muß zu unser beider Enttäuschung uneingetragen bleiben.

Später, auf dem Rückweg, karikiert mich der Werbespruch eines Mobilfunkanbieters: „Du bist so stark wie dein Netz.“ Ich beeile mich, endlich nach Hause zu kommen.

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