© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

Blick in die Medien
Ohne Worte: Banker im „HB“-Interview
Toni Roidl

Ein Zeitungsinterview ist immer eine heikle Situation. Für den Interviewer: Bekomme ich ehrliche Antworten? Für den Interviewten: Werde ich korrekt zitiert? Und auch für den Zeitungskäufer: Lese ich authentische Antworten – oder nur PR-Blabla?

Letzteres ist immer häufiger der Fall. Politiker und Manager wollen keine Kerle mit Kanten, sondern bloß noch „Sympathieträger“ sein. Sie wollen nicht Klartext reden, sondern „positiv rüberkommen“. Darum ist im Umgang mit der Presse die Sitte eingerissen, Interviews vor dem Druck „absegnen“ zu lassen.

Dabei geht es aber nicht um Korrekturen von Mißverständlichkeiten: Immer häufiger kommen die O-Töne „chemisch gereinigt“ zurück, werden klare Aussagen zu unverbindlichen Phrasen weichgespült oder ganz gestrichen.

Dem Handelsblatt erging es so beim Interview mit Baudion Prot, dem Chef der größten französischen Bank BNP-Paribas. Prot ließ das niedergeschriebene Gespräch über die Finanzkrise gleich mehrfach glätten – und zog es schließlich ganz zurück! Das Handelsblatt druckte darauf die Fragen mit weißem Raum anstelle von Prots Antworten.

Für die Trotzreaktion bekam die Redaktion viel Zustimmung. „Selten war Stille so aussagestark“, kommentierte Horizont-Redakteur Olaf Kolbrück. In der Tat: Der Interview-Monolog ist nicht nur Protest gegen den Kontrollwahn vieler Pressestellen, sondern illustriert auch, daß die Eliten auf berechtigte Fragen keine Antworten mehr haben. Die Leere unter der Frage „Können Sie nachts noch ruhig schlafen?“ sagt mehr als tausend Floskeln.

Noch mehr als hartnäckige Journalisten fürchten Bankmanager ein mieses Image. Darum hat BNP Paribas die fehlenden Antworten auf die Handelsblatt-Fragen jetzt auf seiner Internetseite www.bnpparibas.de im Original auf englisch eingestellt. Die Frage nach seiner Nachtruhe beantwortet Prot allerdings auch darin nicht.

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