© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

„Mir ist ein Europa der Regionen wichtig“
Interview: Benedikt Freiherr Poschinger von Frauenau über sein Glashüttengut im Wandel der Zeit
Wolfhard H. A. Schmid

Ein Glashüttengut in einer Zeit des wirtschaftlichen Wandels erfolgreich zu führen ist eine große Herausforderung. Die Wertevorstellungen vieler Konsumenten haben sich geändert. Man legt immer weniger Wert auf eine stilvolle Einrichtung in seinem Zuhause. Der Trend geht zu nüchterner und moderner Einrichtung. Wie schaffen Sie es da als Familienunternehmer, ihren mittelständischen Betrieb zukunftsorientiert weiterzuführen?

Poschinger: Früher waren auch wir traditionell im Fachhandel vertreten und haben regelmäßig die Konsumgütermesse besucht. Mittlerweile werden dort nur noch schnellebige „Trendsortimente“ angeboten, die – meist in Fernost produziert – mehrmals im Jahr wechseln. Wir haben erkannt, das ist nicht unsere Welt. Deshalb haben wir uns eine Marktnische geschaffen. Durch eine flexible Struktur – zusammen mit geschickten und motivierten Handwerkern und Künstlern – haben wir uns auf Sonder- und Spezialfertigungen aus Glas spezialisiert. Wir fertigen ab einem Stück fast jedes erdenkliche Glas. Ich sehe uns auf diesem Feld mittlerweile als die führende Manufaktur.

Sie bewirtschaften auch einen Forst. In früheren Jahrhunderten war der Wald mit seinen Buchenholzressourcen primär für die Glasschmelze vorgesehen. Wie sieht das heute aus?

Poschinger: Bei der Glasmanufaktur und der Gutsverwaltung, bestehend aus Land- und Forstwirtschaft handelt es sich um zwei getrennte Einzelunternehmen. In der Landwirtschaft, mit einer Fläche von zirka 110 Hektar, haben wir etwa zwei Drittel der Fläche an einen örtlichen Milchviehbetrieb verpachtet. Ein Drittel bewirtschaften wir mit Rotwildgehege und Pensionspferden noch selbst. Die Grassilage und das Heu der eigenen Flächen nutzen wir für die winterliche Wildfütterung im Forst. Der Forst wird mit seinen 2.400 Hektar von zwei Förstern betreut. Dazu beförstern wir in Dienstleistung den 1.100 Hektar großen Forstbetrieb unseres Nachbarn, Baron von Wolffersdorff.

Welche Baumbestände haben Sie in Ihrem Forst?

Poschinger: Es handelt sich in großen Teilen um den klassischen Bergmischwald aus Fichte, Buche, Tanne und Bergahorn. Traditionell dominiert dabei die Fichte. Im Gegensatz zu anderen Fichtengebieten ist der Standort im Bayerischen Wald trotz des sich abzeichnenden Klimawandels nach wie vor für die Fichte gut geeignet.

Wie groß ist ihr Unternehmen? Exportieren Sie viel?

Poschinger: Im Gesamtbetrieb beschäftigen wir 22 Personen. Der Exportanteil der Glasmanufaktur beträgt rund 40 Prozent. Im Forstbetrieb geht vor allem das Kurzholz an die Sägeindustrie in Oberösterreich. Das Langholz wird vorwiegend in unserer Region verarbeitet. Nach wie vor haben wir hier viele mittelständische Sägewerke.

Planen Sie Erweiterungen?

Poschinger: Wir investieren laufend. Vor knapp zwei Jahren haben wir einen neuen Glasofen gebaut. Der Investitionsaufwand einschließlich der Baumaßnahmen betrug rund eine halbe Million. Bis Ende des Jahres soll unser Onlineshop im Netz stehen, und bis zum Frühjahr wollen wir noch ein neues Auslieferungslager im bestehenden Gebäude bauen. Bis Ende nächsten Jahres beginnen wir den Umbau und die Umgestaltung unseres Manufakturladens „Der Glasbaron“. In das Geschäft soll dazu auch ein Café integriert werden.

Warum hört man aus dem Mittelstand so wenige kritische Stimmen zum Thema Euro-Krise? Auch die Mittelstandsinitiative schweigt hierzu. Befürchten Sie nicht, daß die milliardenschweren Euro-Rettungspläne der Berliner und Brüsseler Politik Ihre Pläne bremsen könnten?

Poschinger: Sehr wohl! Bereits in der letzten Wirtschaftskrise haben wir dies bemerkt. Ich selbst sehe das sehr kritisch. Es gilt aber Ruhe zu bewahren und nicht hektisch zu reagieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“ Die Euro-Kritiker hingegen entgegnen, der Euro sei „der Spaltpilz Europas“. Welche Meinung vertreten Sie dazu?

Poschinger: Deutschland hat mit Sicherheit vom Euro profitiert, und ein weiterhin stabiler Euro ist sehr wichtig. Mir ist ein Europa der Regionen wichtig, und daß wir unsere Identität bewahren.

Vor sieben Monaten schockierte die Atomkatastrophe von Fukushima die Welt. Kurz darauf beschloß die Bundesregierung den beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie. Wie sehen sie als energieabhängiger Unternehmer die von Berlin beschlossene Energiewende?

Poschinger: Schon seit Jahrzehnten decken wir große Teile unseres eigenen Strombedarfs mit unserem Wasserkraftwerk. Für die Zukunft planen wir eine Dampfturbine, um einen Teil unserer heißen Abluft aus dem Glasofen zusätzlich in Strom umzuwandeln. Ich hoffe, daß die Energiewende von der Politik nicht überstürzt wird, wie so viele andere Reformen. Die Wende ist dringend notwendig, muß aber gut vorbereitet sein, denn blinder Aktionismus schadet nur!

Zahlreiche Beschlüsse der EU-Kommission führen zu immer größerem bürokratischen Aufwand. Ist dies eine zusätzliche Kostenbelastung für Ihren Agrarbetrieb?

Poschinger: Nachdem unsere Landwirtschaft nicht so groß ist und zudem nur Grünland umfaßt, können wir im Gegensatz zu den größeren Betrieben den Aufwand vernachlässigen.

Teile der deutschen Wirtschaft fordern eine Lockerung der Einwanderungsbestimmungen, um den Mangel an Fachkräften durch billigere Arbeitskräfte aus dem Nicht-EU-Ausland abzudecken. Dabei stehen einerseits durch die EU-Osterweiterung und die Euro-Krise in den südlichen Mitgliedsländern Millionen zusätzlicher Arbeitskräfte zur Verfügung. Gleichzeitig leben in Deutschland schon heute Hunderttausende von Zuwanderern, die entweder arbeitslos oder nur schlecht qualifiziert sind bzw. gar nicht für die immer anspruchsvolleren Tätigkeiten zu gebrauchen sind. Leidet Ihr Unternehmen auch unter den geschilderten Problemen?

Poschinger: Davon sind wir nicht betroffen. Wir verfügen über sehr begabte Glashandwerker, denn das Handwerk hat bei uns im Ort und in der Region eine jahrhundertealte Tradition. Die Ausbildung von Lehrlingen ist aber in den nächsten Jahren wieder ein Thema.

Mit einem Anteil von über 60 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ist die mittelständische Wirtschaft der bedeutendste Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Wegen ihrer heterogenen Struktur findet sie in der Öffentlichkeit aber nur wenig Gehör.

Poschinger: Ja, leider werden die Interessen des Mittelstandes viel zu wenig propagiert. Das liegt sicher auch daran, daß die Medien mit ihren laufenden Berichten über Großunternehmen die Sicht auf den Mittelstand verstellen.

Ist Ihr Herr Vater, Stephan Freiherr Poschinger, deshalb als Vorsitzender des Industrie- und Handelskammer-Gremiums für den Landkreis Regen aktiv?

Poschinger: Mein Vater engagiert sich in der IHK, weil er überzeugter Familienunternehmer und Mittelständler ist.

 

Benedikt Freiherr Poschinger von Frauenau wurde 1971 in München geboren. Er studierte BWL und Forstwissenschaften. 2007 übernahm er von seinem Vater Stephan die Verantwortung für das Familienunternehmen. Mit seinen zwei Söhnen besteht die Hoffnung, daß eines Tages auch die 16. Generation diese Tradition weiterführen wird.

 

Vier Jahrhunderte Glashüttengut Frauenau

Namensträger derer von Poschinger findet man fast überall in den bayerischen und früher auch böhmischen Landen. Rechtsanwälte, Brauereibesitzer und Ingenieure haben den adligen Namen besonders im 19. Jahrhundert bekannt gemacht. Auch Künstler, darunter ein Maler und eine Glasdesignerin sowie ein Historiker waren unter ihnen anzutreffen. Heinrich von Poschinger hatte mit seiner Bismarck-Biographie („Persönliche Erinnerungen an den Fürsten Bismarck“, 1899) in Historikerkreisen große Beachtung gefunden. Alle diese Poschingers haben ihre Wurzeln im Bayerischen Wald, wo ein Joachim Poschinger vor über 440 Jahren eine Glashütte erwarb, die noch heute von einem der Familienstämme betrieben wird. Der heutige Geschäftsführende Gesellschafter Benedikt Freiherr Poschinger von Frauenau führt sein kleines, aber feines Unternehmen genauso wie damals – mit den drei Standbeinen Land- und Forstwirtschaft sowie der künstlerisch so wertvollen Glasmanufaktur.

Die Poschinger Gesamtbetriebe Frauenau im Internet: www.poschinger.de

Foto: Sonderanfertigungen aus Glas, ein Glashandwerker bei der Arbeit: „Blinder Aktionismus schadet nur“

 

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